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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstag im Straßburger Europaparlament.

© dpa

Frankreichs Präsident: Warum Macron mit seinen EU-Plänen auf Gegenwind stößt

Am Dienstag hat Emmanuel Macron erneut eine Rede vor dem Europaparlament gehalten, um für seine EU-Pläne zu werben. Doch diese drohen in Brüssel und Berlin zu verpuffen. Eine Analyse.

Emmanuel Macron lässt nicht locker. Eindringlich hat der 40-Jährige, der vor einem knappen Jahr zum französischen Präsidenten gewählt wurde, am Dienstag bei einer Rede vor dem Europaparlament noch einmal für sein Projekt einer Neugründung der EU geworben. Macron will der Europäischen Union auf mehreren Ebenen einen neuen Impuls geben: Einerseits sollen nach seiner Vorstellung Bürger EU-weit bei Befragungen erklären, was nach ihrer Ansicht in der Gemeinschaft schief läuft und was funktioniert. Auf der anderen Seite strebt Macron weit reichende institutionelle Reformen an – von einer Stärkung der Euro-Zone bis zur Schaffung einer gemeinsamen EU-Eingreiftruppe.

Der Staatschef kennt die Defizite der EU aus seiner Zeit als Wirtschaftsminister

Als Macron zwischen 2014 und 2016 Wirtschaftsminister war, hat er das Räderwerk der Europäischen Union und die langwierigen Entscheidungsabläufe im Innern der Gemeinschaft aus der Nähe kennengelernt. Als Präsident möchte er nun einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die EU effizienter wird. Den Bürgern soll dabei vor der Europawahl im Mai 2019 laut Macron eine entscheidende Rolle zukommen: So wie seine Bewegung „En Marche“ vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich mit Straßenbefragungen von Passanten von sich reden machte, möchte der Präsident die Methode nun auf die ganze EU ausweiten. Nach seinem Auftritt im Europaparlament in Straßburg eröffnete der Staatschef am Dienstagabend in der Stadt Epinal in den Vogesen die französischen Bürgerdialoge zu Europa.

Inzwischen wird damit gerechnet, dass die französische Präsidentenpartei „La République en Marche“ zur Europawahl im kommenden Jahr EU-weit antritt. Damit die Macron-Anhänger allerdings eine Fraktion in Straßburg bilden können, müssen „En Marche“-Kandidaten nicht nur in Frankreich, sondern in mindestens sechs weiteren EU-Mitgliedstaaten Mandate erringen.

Jenseits dieser machtpolitischen Fragen hat Macron seit seiner Wahl zum Präsidenten schon mehrfach klar gemacht, wie er sich eine Neugründung der EU inhaltlich vorstellt. Bei einer Rede in Athen forderte er im September des vergangenen Jahres ein eigenes Budget für die Euro-Zone, die Einrichtung eines Euro-Zonen-Parlaments zur demokratischen Kontrolle und die Schaffung des Postens eines EU-Finanzministers. Unmittelbar nach der Bundestagswahl fügte er anschließend in einer Rede an der Pariser Sorbonne noch weitere Ideen hinzu. Dazu zählen die Schaffung einer gemeinsamen EU-Eingreiftruppe bis zum Jahr 2020 und eines vollständig integrierten gemeinsamen Marktes zwischen Deutschland und Frankreich bis 2024.

EU-Gegner triumphieren in Österreich, Italien und Ungarn

Trotz der zahlreichen Vorstöße droht Macrons Reform-Elan allerdings zu verpuffen. Dass sich die Dinge in der Europäischen Union derzeit nicht in seinem Sinne entwickeln, haben die Parlamentswahlen in Österreich, Italien und Ungarn gezeigt. In Österreich ist die rechtspopulistische FPÖ inzwischen an der Regierung beteiligt, in Italien verzeichneten die EU-Gegner der Lega-Partei starke Zugewinne, und in Ungarn sitzt der autoritäre Regierungschef Viktor Orban fester im Sattel als je zuvor. Ansatzweise ist dieser Trend auch in Deutschland sichtbar – mit dem Einzug der AfD in den Bundestag.

Die Gefahr, die in dieser Entwicklung steckt, drückte Macron bei seiner Rede vor dem Europaparlament so aus: „Gegenüber dem Autoritarismus, der uns überall umgibt, ist die Antwort nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie.“

Erschwert wird die Lage für Macron zusätzlich dadurch, dass er von einer Staatengruppe um die Niederlande kontra bekommt, wenn es darum geht, weitere Souveränitätsrechte von der nationalen Ebene nach Brüssel abzugeben. So hatte der rechtsliberale niederländische Regierungschef Mark Rutte Anfang März bei einer Rede in Berlin erklärt: „Brüssel dient den Mitgliedstaaten, nicht umgekehrt.“

Macron hat seine Forderungen bereits heruntergedimmt

In dieser Situation hat Macron seine Forderungen zur Reform der Euro-Zone, über die beim nächsten EU-Gipfel im Juni im Detail beraten werden soll, mittlerweile heruntergedimmt. Sein Vorschlag, das Amt eines EU-Finanzministers einzurichten, wird von ihm selbst inzwischen als ein langfristiges Vorhaben bezeichnet. Sein Plan, ein großzügiges Budget für die Euro-Zone einzurichten, dürfte sich ebenfalls kaum in vollem Umfang verwirklichen lassen. Dass die Idee eines eigenen Haushalts für die Länder mit der Gemeinschaftswährung selbst im Europaparlament nicht viele Freunde hat, wurde am Dienstag bei der Rede des Präsidenten deutlich. Als er eine „budgetäre Kapazität, die die Stabilität und die Konvergenz in der Euro-Zone fördert“, verlangte, gab es nur ganz vereinzelten Beifall im Plenum.

Hinhaltetaktik der Bundesregierung

Dass Macron mit seinen Plänen für einen neuen Geldtopf für Investitionen in der Euro-Zone in die Defensive geraten ist, liegt indes nicht nur an der Hinhalte-Taktik der Bundesregierung, sondern auch an EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger hatte im vergangenen Dezember als Alternative zu Macrons Euro-Zonen-Budget vorgeschlagen, den bestehenden Euro-Rettungsmechanismus ESM zu einem Europäischen Währungsfonds weiterzuentwickeln – und um diesen Vorschlag dreht sich die Berliner Diskussion derzeit in erster Linie.

Flüchtlingspolitik: Der Präsident unterstützt einen Vorstoß der Kanzlerin

Aber möglicherweise wird Macron Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei dem bevorstehenden Treffen im Kanzleramt am Donnerstag noch einmal an einen Passus im Koalitionsvertrag erinnern, in dem ein künftiger „Investivhaushalt für die Euro-Zone“ in der Möglichkeitsform erwähnt wird. Einen Stein dürfte der Präsident bei Merkel jedenfalls im Brett haben, nachdem er der Kanzlerin in Straßburg auf einer anderen europäischen Baustelle beiseite gesprungen ist – der Flüchtlingspolitik. Mit seinem Vorschlag, Kommunen EU-weit direkt mit europäischen Fördergeldern für die Aufnahme von Flüchtlingen zu belohnen, stellte er sich an die Seite der Kanzlerin. Und Merkel weiß, wie die EU funktioniert – durch ein Geben und Nehmen.

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