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Frankreichs Sozialisten: Macho-Vorwürfe und Video-Tricks

Die Sozialisten in Frankreich wählen am Donnerstag einen Präsidentschaftskandidaten. Nie war eine Frau dem Ziel so nahe, für eine große Partei ins Rennen um die Präsidentschaft zu ziehen.

Paris - Für die Ex-Umweltministerin Ségolène Royal schlägt am Donnerstag die Stunde der Wahrheit. Dann entscheiden 218.000 Mitglieder der Sozialistischen Partei (PS) darüber, wen sie im kommenden Frühjahr in den Elysée-Palast schicken wollen. Royal gilt als Favoritin, doch ihre männlichen Konkurrenten, Ex-Premier Laurent Fabius und der frühere Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn, haben längst nicht aufgegeben. In den letzten Tagen bekriegten sich die gegnerischen Lager mit Macho-Vorwürfen und Video-Tricks.

Wie aus dem Nichts erschien die 53-jährige Royal vor einem Jahr an der Spitze der Umfragen. Von den meisten PS-Parteigrößen wurde sie zunächst als kurzlebiges Medienphänomen abgehakt. Doch die Präsidentin der Region Poitou-Charentes hielt ihre phänomenalen Sympathiewerte. Strauss-Kahn und Fabius sahen deshalb ihre einzige Chance darin, die zu unkonventionellen Vorstößen neigende Lebensgefährtin von PS-Chef François Hollande in drei TV-Debatten zu zwingen und in der direkten Konfrontation zu entzaubern.

"Breschnew-Fernsehen"

Das gelang ihnen trotz strikter Regeln für die Auftritte, die von einigen als "Breschnew-Fernsehen" verulkt wurden, mit gewissem Erfolg. Neben dem redegewandten "modernen Sozialdemokraten" Strauss-Kahn und dem linke Werte vertretenden Fabius wirkte Royal zuweilen defensiv und wenig auf Parteilinie. Aufs Korn nahmen ihre Gegner ihre umstrittenen Vorschläge, jugendliche Straftäter in militärisch betreute Camps zu stecken und die Arbeit von Abgeordneten durch per Los besetzte Bürgerausschüsse kontrollieren zu lassen. Ein gefundenes Fressen war für das Männer-Duo Royals Forderung, Iran die zivile Nutzung der Atomenergie zu untersagen, was gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen würde. Eigene Akzente konnten Royals Gegner aber nicht setzen.

Die TV-Debatten kosteten Royal wie erwartet Punkte, doch längst nicht so viele wie von ihren Gegnern erhofft. Nach einer Erhebung für die Zeitung "Libération" vom Anfang der Woche hätten 37 Prozent der Franzosen sie gerne als Präsidentin. Strauss-Kahn kommt auf 27 Prozent und Fabius auf elf Prozent. Und laut einer Umfrage des "Figaro" ist sie weiter die einzige Möglichkeit für die PS, den konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy im Frühjahr zu schlagen.

Schärfere Gangart

Was die PS-Mitglieder vor der Urwahl denken, weiß niemand. Stichproben zeigen im ersten Durchgang ungefähr 50 Prozent für Royal und je rund 25 Prozent für ihre Herausforderer. Doch das sind grobe Schätzungen. In den vergangenen Tagen verschärften alle Seiten die Gangart. Royal beschuldigte ihre Konkurrenten des Chauvinismus. So soll Strauss-Kahn der vierfachen Mutter nach der dritten TV-Debatte gesagt haben, sie hätte "lieber zu Hause bleiben sollen als von ihren Rezept-Karten abzulesen". Auch Fabius bekam von Royal sein Fett weg für den ihm zugeschriebenen Spruch "Und wer kümmert sich um die Kinder?".

In letzter Minute gefährlich könnte für Royal ein im Internet zirkulierendes Video werden, in dem sie Lehrern vorwirft, zu wenig zu arbeiten. Die Lehrerschaft stellt 20.000 bis 30.000 der PS-Mitglieder und ist somit ein entscheidender Faktor. Schwierig könnte es für Royal werden, wenn sie am Donnerstag weniger als 50 Prozent erhält und deshalb am 23. November in die Stichwahl muss. Wohin in diesem Falle die Stimmen des gescheiterten dritten Kandidaten wandern, ist die große Frage. Dann, so Strauss-Kahn, "werden die Karten neu gemischt und alles wird wieder möglich." (Von Martin Trauth, AFP)

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