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Franz Müntefering: Hoffnungsträger und Konkurrent

Nach dem Tod seiner Frau Ankepetra will Franz Müntefering wieder in die Politik. Schon erklären 61 Prozent der SPD-Wähler, der Sauerländer wäre ihnen als Partei-Vorsitzender lieber als der amtierende Chef Kurt Beck. Er hat oft genug bewiesen, dass er über das verfügt, was der SPD fehlt: Stehvermögen. Doch die Frage ist nicht, ob er der Partei neuen Schwung verleihen könnte, sondern ob die ihn lässt.

Es war eine hektische Zeit, als Franz Müntefering vor knapp neun Monaten seinen Rücktritt verkündete. Es war die Zeit, als Bundeskanzlerin Angela Merkel den Post-Mindestlohn kassierte und es war die Zeit kurz nach dem Streit mit SPD-Parteichef Beck, der für die Verlängerung des Arbeitslosengeldes ALG I kämpfte - ein Projekt das Müntefering für grundsätzlich falsch hielt. Nicht wenige unterstellten ihm, dass die Krankheit seiner Frau Ankepetra zumindest nur einen Aspekt für seinen Abgang darstellte.

In einem offenen Brief in der Zeit schrieb Müntefering damals: "Tatsächlich ist Politik die plausible Antwort auf die Verantwortung, die wir Menschen für uns selbst und für das Ganze haben. Ist Lust aufs Gestalten, damit Gutes daraus wird. Politik nicht zwingend als Beruf, aber als Engagement in der Gesellschaft - für sich selbst und für die Gesellschaft. Beides." Man darf ihm abnehmen, dass er seinen Hut nicht einfach nur aus Frust nahm, sondern aus wirklicher Verantwortung seiner Frau gegenüber. Nun darf man ihm aber auch abnehmen, dass er nicht aus Langeweile wieder Verantwortung in der Politik übernehmen will.

Müntefering als die neue Verheißung der SPD

Viele SPD-Mitglieder waren froh über seinen Abgang, sie sehnten sich nach der linken Sozialromantik, die Kurt Beck verströmte. Sie hatten genug von Müntefering, der oft so steif wirkte und vielen als die letzte aktive Bastion der Schröderianer galt. Heute wünschen sie ihn sich als Parteivorsitzenden zurück: 61 Prozent der SPD-Wähler glauben einer aktuellen Emnid-Umfrage, "ihr Münte" wäre ein besserer SPD-Chef als der amtierende Vorsitzende Kurt Beck - den die SPD noch auf dem Hamburger Parteitag feierte, nachdem er sich gegen Müntefering in der Debatte über das Arbeitslosengeld I durchgesetzt hatte.

Neun Monate nach seinem Abschied erscheint Franz Müntefering vielen als Verheißung, als neuer Messias der SPD. Es ist symptomatisch für die SPD, dass sich viele ihrer Anhänger nun auf die Rückkehr eines Mannes freuen, den sie oft genug verflucht haben. Es fehlt der Partei an Alternativen zu den beiden Zugpferden Beck und Frank-Walter Steinmeier, der als neuer Kanzlerkandidat hofiert wird. Anstatt den Fehler in der aktuellen Politik zu suchen, wird nun alle Hoffnung in den neuen Heilsbringer gesetzt.

Der Glaube, etwas bewegen zu können

Doch kann Franz Müntefering diese Hoffnung erfüllen? Der 68-Jährige ist nicht das politische Frischfleisch, das die Partei eigentlich bräuchte, aber er hat eines oft genug bewiesen: Dass er einsteht für das, was ihm wichtig erscheint: In der Politik im zähen Ringen um die Fortführung der Agenda-Politik und im Privaten durch sein konsequentes Einstehen für seine verstorbene Ehefrau. Er verkörpert das, was der SPD derzeit fehlt: Der Glaube daran, dass man etwas bewegen kann, wenn man sich nur dafür einsetzt.

Die entscheidende Frage ist allerdings nicht, ob er der SPD neuen Schwung geben könnte, sondern ob ihn die SPD lässt. Die SPD-Linke macht keinen Hehl daraus, dass sie nicht begeistert ist über ein mögliches Comeback des Sauerländers. Auch Partei-Chef Beck dürfte wenig glücklich sein über die Spekulationen der letzten Tage. Letzten Endes war es er, der Müntefering entmachtet hat. Seine Rückkehr würde den rechten Flügel der SPD stärken- und damit auch Becks Konkurrenten Steinmeier.

"Blick nach vorn" - ein Motto für die SPD

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die SPD wieder einmal die eigenen Chancen verbaut, indem sie ihr politisches Spitzenpersonal öffentlich zerredet. Anstatt Befindlichkeiten zu pflegen, sollte die SPD dankbar sein über die Rückkehr eines Mannes, der viele Wähler mobilisieren könnte, die sich von der Beck-SPD abgewandt haben.

Noch hat sich Franz Müntefering selbst noch nicht dazu geäußert, welche Rolle er nach seinem Comeback anstrebt. Bei seinem Abschied erklärte er, er habe Lust, 2010 das SPD-Kernland Nordrhein-Westfalen zurückzuerobern - er sei dann schließlich erst 70. Klar ist bislang nur, dass im Herbst sein Buch erscheint. Der Arbeitstitel heißt "Blick nach vorn". Ein Motto, an dem sich seine Partei ein Beispiel nehmen sollte.

Ein Kommentar von Nicole Scharfschwerdt

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