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Politik: Frauen-Bande

Großmutter Lotte beschimpft die Menschen gern als „Sauhunde“, manchmal auch als „dreckige Sauhunde“. Sie war mal Tänzerin, liebt Kleider und hat einen Tumor, der ihr das Gesicht zerfrisst, die papierweiße, weiche Haut, auf die sie immer so stolz war.

Großmutter Lotte beschimpft die Menschen gern als „Sauhunde“, manchmal auch als „dreckige Sauhunde“. Sie war mal Tänzerin, liebt Kleider und hat einen Tumor, der ihr das Gesicht zerfrisst, die papierweiße, weiche Haut, auf die sie immer so stolz war. Ihre Tochter Greta, seit 30 Jahren glücklich verheiratet, erfährt, dass sie Krebs hat und verliebt sich in eine Frau. Und Enkelin Elizabeth, Literaturdozentin, soll Flauberts „Madame Bovary“ als Hollywood-Drehbuch wiedererschaffen. Modern. Will der Produzent so. Aus Emma Bovary wird also Barbie Bovaine. Aber weil Mutter Greta so krank ist und weil Großmutter Lotte sterben wird, kann Elizabeth sich nur schlecht konzentrieren.

In „Tage mit Emma“ entwirft die Autorin Cathleen Schine eine kurze Zeitspanne im Leben dieser Frauen, erzählt von Familienbanden, Kinderhaben, Alltag, Liebe und Verlassenwerden. Das Buch ist voller Erinnerungen dreier Frauen aneinander, die sich brauchen und sich nerven, und man könnte sagen, „Tage mit Emma“ sei ein Mutter-Tochter-Buch, wenn das nicht so platt klänge, kitschig irgendwie. Oder harmlos. So ist „Tage mit Emma“ nicht. Denn immer wieder scheint als Grundthema die furchterregendste aller Beziehungsoptionen auf: die Umkehrung der Verhältnisse. Die Furcht vorm Zerbrechen der ältesten, sichersten Verbindung. Wie akzeptieren, dass die Mutter im Alter zum Kind wird? Was, wenn sie stirbt? Darf man sich mit 53 Jahren noch verzweifelt, gierig, wild nach „Mama“ sehnen? Und wie erträgt man es, sie weinen zu hören, ein Geräusch so schrecklich wie der Blitz?

Cathleen Schine erzählt das leicht, sogar urlaubslektürenleicht, oft komisch, manchmal tragisch, literarisch im Ton, aber schnell in den Schnitten. Es ist kein Wunder, dass zwei ihrer Romane schon verfilmt worden sind – sie hat das Talent für bildhaftes Erzählen. Ob Lotte stirbt, ob Greta Lesbe wird, ob das Drehbuch fertig oder der Produzent zum Liebhaber wird – selbst dass es schlussendlich doch etwas erwartbar endet – … die Auflösung der Geschichte ist egal. In diesem Fall ist mal sie selbst der Höhepunkt.

Cathleen Schine: Tage mit Emma. Roman. Claassen Verlag, Berlin. 320 Seiten, 21 €.

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