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Politik: Freihändig vergeben

Das Verteidigungsministerium schloss 23 Beraterverträge ab, um die Bundeswehr zu reformieren – immer ohne Ausschreibung

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Von Robert Birnbaum

und Antje Sirleschtov

Dass die Sache mit den Beraterverträgen nicht koscher ist, schwante manchem im Verteidigungsministerium schon im vorigen Jahr. „Das riecht ein bisschen“, hat damals einer aus der oberen Führungsetage gesagt. Seine Nase hat ihn nicht getäuscht. Die interne Revision der Hardthöhe hat schon im vorigen Oktober noch deutlichere Worte für das gefunden, was der Minister Rudolf Scharping seinem Nachfolger Peter Struck hinterlassen hat. Ein Vermerk über die Prüfung von 23 Verträgen mit externen Beratern im Zusammenhang mit Rationalisierungsvorhaben jedenfalls kommt zu einem vernichtenden Urteil: Ausnahmslos alle diese Verträge sind ohne Ausschreibung vergeben worden, bei 18 von ihnen hat man sich sogar gespart, mehr als einen Anbieter zu fragen, Begründung fast immer: Eilbedürftigkeit. Die Folge: Eine „Monopolstellung einzelner Firmen“ mit auffällig hohen Honorarsätzen und die „Gefahr, dass Firmen sich zum Nachteil der Bundeswehr Aufträge selbst generieren“. Die Bundeswehr und die von ihr ins Leben gerufene „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb“, kurz GEBB – ein Selbstbedienungsladen?

Der Vermerk bezieht sich auf Verträge aus den Jahren 2000 bis 2002. Letzteres war das Jahr, in dem Scharping im Juli entlassen und Struck sein Nachfolger wurde. Fünf der 23 Verträge fallen in die ersten Struck-Monate, der Rest ist älter. Schon im Jahr 2001 war Scharping groß mit einer speziellen Beraterfirma ins Geschäft gekommen: der Unternehmensberatung Roland Berger. Deren Chef galt als gut gelitten bei Scharpings Chef Gerhard Schröder. Politisch erschien das klug, weil anzunehmen war, dass der Kanzler im Dauerstreit ums Geld Bergers Prognosen künftiger Privatisierungserlöse nicht von vornherein anzweifeln würde.

Schon der erste Vertrag mit Berger war nicht Ergebnis einer regelrechten Ausschreibung. In einem Bericht, den Struck am Mittwoch dem Verteidigungsausschuss vorlegte, wird noch einmal dargelegt, dass lediglich vier große Beraterfirmen angeschrieben wurden, von denen eine nicht reagierte. Aus dem verbleibenden Trio wurde mit Zustimmung des GEBB-Aufsichtsrats im Februar 2001 die Roland Berger GmbH ausgewählt.

Die Beziehung entwickelte sich gedeihlich zu etwas, was im normalen Arbeitsleben wohl als Kettenvertrag bezeichnet würde. Aus dem ursprünglichen Auftrag vom 6. August 2001 im Umfang von damals rund 4,6 Millionen Mark erwuchs über neun nahtlose Änderungsverträge ein Gesamt-Auftragsvolumen von 10,7 Millionen Euro. Der Großteil dieser Summe – fast zehn Millionen – wurde noch unter Scharpings Ägide vereinbart, der viel kleinere Rest folgte in Strucks ersten Monaten. In dessen Amtszeit fallen ab Januar 2003 weitere, im Umfang wie im Charakter allerdings unbedeutendere Berger-Verträge, die sich auf 3,5 Millionen Euro summieren.

Aber zurück zur Revision des Ministeriums für die älteren Verträge. In Auftrag gegeben hat die Prüfung schon im Dezember 2002 der Haushaltsstaatssekretär der Hardthöhe, Eickenboom. Wer die Auftragnehmer jener 23 Verträge waren, geht aus dem Vermerk nicht hervor. Der Auftragswert erreichte die stolze Summe von 20,4 Millionen Euro, von denen der Großteil in Höhe von 16,3 Millionen jeweils direkt an einen Anbieter floss, ohne dass andere gefragt wurden. Der potenzielle Schaden ist darum auch nur schwer zu ermitteln. Aber die Prüfer erlauben sich den Hinweis, dass Roland Berger bei einem freihändig vergebenen Vertrag einen Tagessatz pro Mitarbeiter von 2556 Euro berechnete, der Konkurrent Arthur Andersen für das Controlling bei einer Heereseinheit hingegen nur 1278 Euro netto kalkulierte.

Ob Struck schon im vorigen Herbst Übles schwante? In einer Sitzung des Modernisierungsrats am 11. September 2003 mahnte er strenge Maßstäbe bei externen Aufträgen an. Am 30. Oktober kam der Prüfvermerk. Am 19. Dezember bestätigte Struck per Weisung, was seine zwei Staatssekretäre nach Auskunft aus dem Ministerium schon am 28. Oktober vereinbart hatten: Freihändige Vergaben nur noch über den Schreibtisch der zwei Spitzenbeamten – wenn überhaupt.

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