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Der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont in Brüssel (Belgien) bei einer Demonstration.

© Dirk Waem/BELGA/dpa

Freilassung von Carles Puigdemont: Eine entschärfte Auslieferung, aber kein Freispruch

Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Schleswig-Holstein ist die Auslieferung Carles Puigdemonts entschärft. Kommt es in Spanien doch zu einem Prozess, ist die Situation umso paradoxer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralph Schulze

Der katalanische Separatistenchef Carles Puigdemont, der sich in Spanien wegen seines illegalen Unabhängigkeitsprozesses verantworten soll, kann zunächst leicht aufatmen. Nach der ersten Vorentscheidung des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) darf er nicht wegen des gravierenden Vorwurfs der Rebellion an die spanische Justiz ausgeliefert werden. Rebellion kann in Spanien mit bis zu 30 Jahren Haft geahndet werden.

Das Veto der Oberlandesrichter ist aber kein Freispruch. Und es sagt somit nichts darüber aus, ob der frühere katalanische Ministerpräsident seitens der spanischen Justiz zu Unrecht der Rebellion beschuldigt wird. Das OLG prüfte nur, ob der Vorwurf auch nach dem deutschen Recht strafrechtlich geahndet werden kann. Und das ist nach Meinung der schleswig-holsteinischen Richter nicht der Fall.

Warum nicht? Der für den spanischen Vorwurf der Rebellion in Deutschland in Frage kommende Tatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, sagt das OLG. Und zwar, weil nach deutscher Rechtsprechung das notwendige „Merkmal der Gewalt“ nicht vorliege, dass eine massive Gewaltanwendung voraussetze, um den Willen einer Regierung zu beugen. Spaniens Oberster Gerichtshof interpretiert den Gewaltbegriff hingegen weiter und sieht schon bei der billigenden Inkaufnahme von Gewalt den Tatbestand der Rebellion als gegeben an.

So friedlich, wie sich Puigdemont, der im Oktober eine illegale Unabhängigkeitsabstimmung organisiert hatte, in seinen Reden gibt, sehen ihn aber auch die deutschen Richter nicht. Ihm seien durchaus „als Verfechter der Umsetzung des Referendums die am Wahltag stattgefundenen Gewalttätigkeiten zuzurechnen“. Auch wenn dies nicht geeignet gewesen sei, um die spanische Regierung „zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter“ zu zwingen – eben deswegen sei der deutsche Hochverratsartikel nicht auf Puigdemont anwendbar.

Es bleibt aber der Vorwurf der Veruntreuung von öffentlichen Geldern, den das OLG als durchaus vereinbar mit dem deutschen Strafrecht ansieht. Hier sei eine Auslieferung prinzipiell zulässig, hieß es, obwohl die Richter in dieser Frage und vor einer endgültigen Entscheidung noch Klärungsbedarf sehen. Veruntreuung kann in Spanien in besonders schweren Fällen mit bis zu 12 Jahren Gefängnis bestraft werden. Dies ist für Puigdemont ebenfalls keine beruhigende Perspektive.

Großen Anlass zum Jubeln hat Puigdemont also bisher nicht. Zumal auch seine Behauptung, dass er von Spanien aus politischen Gründen verfolgt werde, von den Oberlandesrichtern nicht geteilt wurde. Damit bricht ein tragender Teil seiner Verteidigungsstrategie weg, die bisher darauf setzte, Spaniens als Unrechtstaat zu diskreditieren. Wenn jemand wegen seiner politischen Anschauungen strafrechtlich verfolgt wird, wäre eine Auslieferung nach dem deutschen Rechtshilfegesetz unzulässig.

Spaniens Justiz dürfte freilich trotzdem nicht sehr glücklich über die Vorentscheidung des OLG sein. Denn im Falle einer Auslieferung Puigdemonts ergibt sich nun eine paradoxe Situation: Jenen katalanischen Separatistenführern, die bereits in Spanien in Untersuchungshaft sitzen, kann wegen Rebellion der Prozess gemacht werden. Doch der Mann, der als Kopf der illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse in der spanischen Region Katalonien gilt, darf nur wegen des minder schweren Vorwurfs der Untreue angeklagt werden. Damit hätte sich die Flucht Puigdemonts ins europäische Ausland dann für ihn doch noch ausgezahlt.

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