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Politik: Freunde fürs Leben

Von Ursula Weidenfeld

Was macht Bayer besser als Merck? Wahrscheinlich ist es vor allem eins: Bayer hat bei Schering nachgefragt, bevor ein Angebot zur Übernahme gemacht wurde. Schering hatte Zeit, zu überlegen, ob die Sache gut gehen kann oder nicht. Beide Unternehmen hatten Zeit, darüber nachzudenken, zu welchen Bedingungen eine Übernahme sinnvoll und akzeptabel wäre und ob die Firmen überhaupt zueinander passen. Für Bayer war am Ende klar, dass ein Übernahmeangebot nur dann sinnvoll ist, wenn die ScheringSpitze es begrüßt. Und für Schering war klar, dass das Angebot nur dann begrüßt werden kann, wenn dadurch der Standort Berlin gestärkt wird.

Beides scheint erreicht worden zu sein. Schering will nun doch übernommen werden und freut sich, in Bayer seinen weißen Ritter gefunden zu haben. Die Pharmasparte des fusionierten Unternehmens Bayer-Schering soll in Berlin sitzen, und zwar nicht nur als Standort für Produktion, Forschung und Entwicklung. Auch die operative Führung dieser Sparte soll aus Berlin kommen. Das sind gute Nachrichten, auch wenn Scherings Traum, als Spezialitätenhersteller alleine bestehen zu können, spätestens am Donnerstagabend endgültig zerplatzt ist. Die guten Nachrichten betreffen vor allem den Gesundheitsstandort Berlin. Es ist nun einmal leichter, erfolgreiche Politik für die Gesundheitsstadt Berlin zu machen, wenn das bedeutendste Unternehmen der Stadt noch da ist.

Ob ein Zusammengehen der beiden Wunschpartner aber tatsächlich vernünftig ist? Ganz offensichtlich sah sich Bayer ziemlich unter Druck gesetzt, nachdem Merck vor zwei Wochen nach Schering gegriffen hatte. Die Sorge, am Ende alleine sitzen zu bleiben, hat Bayer-Chef Werner Wenning wohl in erster Linie zu einem Angebot getrieben – entsprechende Prüfungen in der Vergangenheit blieben dagegen ohne positives Ergebnis. Der Übernahmedruck in der Branche entfaltet seine eigene Logik.

In der Sache gibt es viele Parallelen zwischen dem aktuellen Interessenten Bayer und dem bisherigen Merck. Es sind dieselben Fragen, die zu stellen sind: Ist die Finanzierung des noch einmal höheren Kaufpreises im Wesentlichen über Kredite vernünftig? Führt die Verschuldung des künftigen Gemeinschaftsunternehmens dazu, dass womöglich auch Unternehmensteile verkauft werden müssen, die für das Unternehmen sinnvoll sind? Ergänzen sich die Forschungsbereiche, oder werden sie sich über kurz oder lang behindern, Entwicklungs- und Vertriebskapazitäten blockieren? Ist es vernünftig, wenn sich zwei Firmen zusammentun, die beide über ausgezeichnete Vertriebsnetze in Europa, Asien und den USA verfügen, in anderen Teilen der Welt dagegen unterrepräsentiert sind? Was bringt es den Unternehmen, wenn sich der eine bisher vor allem auf schwerste Erkrankungen konzentriert hat, der andere dagegen in den vergangenen Monaten für viel Geld eine respektable Marktposition bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten zusammengekauft hat? Was ist gewonnen, wenn am Ende beim Zusammengehen von Schering und Bayer 6000 Arbeitsplätze gestrichen werden müssen?

Schön, dass sich die aktuellen Partner jetzt so gut verstehen. Denn über all diese Fragen muss eine Verständigung herbeigeführt werden. Die fällt vermutlich leichter, wenn man freiwillig zusammen am Tisch sitzt. In der Sache erträglicher, weicher und nachgiebiger wird sie deshalb aber noch lange nicht.

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