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Politik: Freunde von ganz rechts

Belgiens Vlaams Blok bekommt inzwischen Zuspruch von der jüdischen Gemeinschaft – weil er sich gegen radikale Muslime wendet

Vilvoorde ist ein kleines flämisches Städtchen nördlich von Brüssel und eigentlich die Wählerbastion von JeanLuc Dehaene, dem ehemaligen belgischen Premierminister und christdemokratischen Europa-Abgeordneten, der in Vilvoorde auch noch Bürgermeister ist. Doch bei den letzten Wahlen am 13. Juni erhielt Dehaene einen empfindlichen Denkzettel: Der Vlaams Blok überholte die Christdemokraten. Die Rechtsextremen hatten massiv Front gegen den Umbau einer Moschee gemacht. Die Vilvoorder Muslime wollen ihre kleine und baufällige Moschee in ein großes Gebetszentrum von 1900 Quadratmeter umbauen. Der Wahlsieg der Rechtsextremen hatte aber auch damit zu tun, dass Vilvoorde wie kaum eine andere Stadt in Belgien in den letzten Jahren vom rasanten flämischen Strukturwandel und Arbeitsplatzverlusten betroffen war.

Doch wer den Vlaams Blok, Europas derzeit wohl erfolgreichsten Rechtsausleger, nur als Partei der Fremdenhasser und sozialen Absteiger sieht, der irrt. Gerade bei den Regional- und Europawahlen am 13. Juni, als der Blok sein bisher höchstes Ergebnis erzielte, zeigte sich, dass die Partei auf dem besten Weg zu einer Volkspartei ist. Vorbei sind die Zeiten, als der Vlaams Blok noch mit Fackelmärschen, paramilitärischen Demonstrationen und Skinheads assoziiert wurde. Wer heute eine Wahlveranstaltung des Blok besucht, wähnt sich oft mehr auf einem Familienfest denn auf einer Agitationsveranstaltung. Blok-Erstwähler, so stellen Soziologen fest, sähen sich selbst immer weniger als Rechte. Der Vlaams Blok ziehe zahlreiche Wähler aus der politischen Mitte und ideologisch nicht festgelegte Menschen an. In Antwerpen erreicht der starke Mann des Blok, Filip Dewinter, bereits über 34 Prozent – darunter auch viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft der Diamantenstadt. Im jüdischen Viertel der Stadt hat sich der Blok beliebt gemacht, weil er die Übergriffe muslimischer Jugendliche gegen jüdische Einwohner zum Thema machte und damit ein Tabu brach. Bis dahin hatten Politiker und Medien zu diesen Übergriffen geschwiegen, um nicht als ausländerfeindlich zu gelten – und weil eine Debatte über das Verhältnis von Juden und Muslimen in der Stadt als Steilvorlage für den Vlaams Blok galt.

Die Linken in der Stadt trauen ihren Augen nicht: Der gleiche Vlaams Blok, der für die Amnestierung früherer Nazi-Kollaborateure eintritt, wird nun von Mitgliedern der jüdischen Gemeinden als Bündnispartner gegen radikale Muslime hofiert. „Der Vlaams Blok ist ausgesprochen proisraelisch“, sagt Louis Davids, Chefredakteur des „Belgisch-jüdischen Wochenblatts“.

Seit der Vlaams Blok 1991 mit über sieben Prozent ins Parlament einzog, wird er von den anderen Parteien konsequent von jeder Machtteilnahme ausgeschlossen. Doch genau das, so sagen Soziologen, helfe dem Vlaams Blok, weiter zu wachsen. So würden aus einstigen Protestwählern Stammwähler – wenn sie sähen, dass ihr Protest wegen dieser Abgrenzung gar nichts bewirke. Zudem ermöglicht dies dem Vlaams Blok, sich in der Öffentlichkeit als Außenseiter zu positionieren, der für die Skandale und Affären der etablierten Parteien keine Verantwortung trage.

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