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Politik: Freundschaft mit Tücken

Die Beziehung zwischen Nato und Russland zeigt Erfolge, aber es gibt viele Stolpersteine

Von „befohlener Freundschaft“ sprach die Moskauer Tageszeitung „Iswestija“, die lange vor dem Moskaubesuch von Nato-Generalsekretär Jaap der Hoop Scheffer an diesem Freitag die Beziehungen zwischen Russland und der nordatlantischen Allianz analysierte. Die Zustandsbeschreibung trifft nach wie vor ohne Abstriche zu. Zwar lobte Russlands Präsident Wladimir Putin die Zusammenarbeit beider Seiten wiederholt als „realen Faktor zur Sicherung internationaler Stabilität“. Auch seien bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus in Afghanistan messbare Erfolge erzielt worden. Dadurch seien auch die einstigen Südgrenzen der früheren Sowjetunion sicherer geworden, wovon Russland profitiert. Denn dessen Grenzen zu den einstigen Sowjetrepubliken sind nach wie vor eher durchlässig. Russland, so der Herr des Kremls kürzlich auf einer Tagung des Nationalen Sicherheitsrates, sei daher zu Beziehungen mit der Nato „auf völlig neuem Niveau“ bereit, auch wenn die Standpunkte nicht immer übereinstimmten.

Stolpersteine gibt es in der Tat noch immer zur Genüge. Moskau, das nach wie vor keine „begründeten Argumente für die geografische Erweiterung“ der Nato-Allianz erkennen mag, reagierte sichtlich irritiert auf Ankündigungen des Oberkommandierenden der Nato-Seestreitkräfte in Südeuropa, Admiral Ferdinando San Felice di Monteforte, ein für kommendes Jahr geplantes Seekriegsmanöver im Mittelmeer auch auf das Schwarze Meer auszudehnen. Dazu werde Russland, das an der Übung mit zwei Küstenwachtschiffen teilnimmt, kein Mandat erteilen, blaffte Verteidigungsminister Sergej Iwanow zurück. Aus gutem Grund: Denn die Ukraine und Georgien dürften die Ausweitung des Manövergebiets als Optionsschein für die baldige Aufnahme von Nato-Beitrittsverhandlungen betrachten. Weil deren Beginn offenbar auch für Moskau nur noch eine Zeitfrage ist, versucht der Kreml den Abzug seiner Truppen aus Georgien wie aus Moldawiens abtrünniger Region Transnistrien, die an die Ukraine grenzt, so lange wie irgend möglich zu verzögern.

Ein Thema, über das Scheffer und Putin an diesem Freitag ebenfalls kaum herumkommen werden. Zumal auch OSZE und Europarat das moldawische Parlament unterstützen, das Moskau Mitte Juni eine neue letzte Frist für den Abzug von Technik und Soldaten – momentan noch knapp 2000 Mann – setzte. Anderenfalls, so ein westlicher Diplomat in der moldawischen Hauptstadt Chisinau, würde die OSZE die Abkommen zur Begrenzung konventioneller Streitkräfte in Europa nicht ratifizieren.

Erschwerend fällt dabei ins Gewicht, dass Moskaus Abzug aus Georgien eigentlich nur eine Umgruppierung ist. Zwar einigten sich beide Seiten Ende Mai nach langem Hickhack darauf, dass Russland die letzten zwei seiner ursprünglich vier Basen bis Ende 2008 räumt. Technik und Mannschaften – insgesamt knapp 5000 Soldaten – sollen jedoch Moskaus Stützpunkt Gümry im benachbarten Armenien verstärken. Das weckt den erbitterten Widerstand der dritten Kaukasusrepublik Aserbaidschan, die mit Armenien seit 1988 um Berg-Karabach kämpft. Die Region gehört zu Aserbaidschan, ihre Bewohner sind jedoch fast ausschließlich Armenier. Moskaus Truppenverschiebung nach Armenien könnte den gegenwärtig ruhenden Konflikt neu anheizen. Zumal Hardliner in Aserbaidschan auf den schwachen Staatschef Ilham Alijew in Sachen Karabach mehr und mehr Druck machen. Eine Lösung des Konflikts, die sich in Konturen bereits abzeichnete, rückt damit in weite Ferne.

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