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Protestierende Jugendliche in Berlin.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Fridays for Future: Entsteht gerade eine ökologische Jugendbewegung?

Seit einem halben Jahr protestieren Schüler gegen den Klimawandel. Doch wie nachhaltig ist ihr ökologischer Idealismus?

Auch in dieser Woche gingen am Freitag hunderte Schüler und Studenten in Berlin für mehr Umweltschutz auf die Straße. Unter dem Motto „Verkehrswende jetzt! Statt mit Vollgas in die Klimakrise!“ forderten sie dabei unter unter anderem einen besseren öffentlichen Nahverkehr.

Am 20. August 2018 war die damals fünfzehn Jahre alte schwedische Schülerin Greta Thunberg in einen „Schulstreik“ getreten um für radikalen Klimaschutz zu demonstrieren. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie nicht ahnen, dass nur ein halbes Jahr später Hunderttausende junge Menschen auf der ganzen Welt an regelmäßigen „Fridays for Future“ gegen den Klimawandel auf die Straße gehen würden. Seit dem 14. September 2018 versammeln sich in Berlin wöchentlich Aktivisten. Die Teilnehmer organisieren sich dabei über soziale Netzwerke.

Jugendforscher zeigten sich angesichts der hohen Teilnehmerzahlen und der Konstanz des Protests überrascht. Der Bielefelder Politikwissenschaftler Mathias Albert betonte, dass dies die erste Bewegung sei, die wirklich das fehlende Verantwortungsbewusstsein der Älteren anprangere. Wächst also gerade eine neue Generation von ökologischen Idealisten heran? „Auf jeden Fall. Da entsteht gerade eine Jugendbewegung“, sagt Klimaexpertin Lisa Göldner von Greenpeace.

"Mit einer erstaunlichen Professionalität"

Besonders verblüffend daran sei, dass sich der Protest von selbst trage. „Mit einer erstaunlichen Professionalität und Intuition.“ Zwar hätte Greenpeace den Jugendlichen ihre Unterstützung angeboten, „aber die brauchten sie gar nicht. Das haben sie uns ganz selbstbewusst mitgeteilt.“ Zugleich sei aber auch zu beobachten, dass sich das gesteigerte Umweltbewusstsein in den Mitgliederzahlen der Jugendorganisation von Greenpeace ausdrückt.
Zunächst erscheint es glaubwürdig, dass junge Menschen, die noch die längste Zeit auf diesem Planeten verbringen werden, einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur einklagen.

Das bestätigen auch die Zahlen einer repräsentativen Umfrage des Bundesumweltministeriums aus dem vergangenen Jahr. 86 Prozent der 14- bis 22-Jährigen stimmten der Aussage „Zu einem guten Leben gehört für mich eine intakte natürliche Umwelt unbedingt dazu“ eher zu. Beinahe ebenso viele junge Menschen gaben an, dass durch gezielte gesetzliche Maßnahmen mehr Umweltschutz für alle erreicht werden könne.

Der aktuelle Protest war von Beginn an von einem zivilem Ungehorsam getragen, dem Fernbleiben des Schuluntericht. Das kann auch als Zeichen eines großen Misstrauens der sogenannten „Generation Z“ gegenüber den bestehenden Institutionen gewertet werden. So erkennt der Saarbrücker Zukunftsforscher Christian Scholz eine deutliche Beziehungsstörung zwischen etablierten Politikern und Parteien und jener „Generation Z“, die jetzt auf der Straße steht. In der Wahrnehmung der Heranwachsenden wüssten Politiker wenig über die Anliegen junger Menschen, kommunizierten schlecht und würden anbahnende Konflikte kommender Generationen übersehen.

Nur jeder vierte Jugendliche will auf Flugreisen verzichten

Bei allem zur Schau gestellten ökologischen Bewusstsein, bleiben die jungen Menschen im Bezug auf ihr persönliches Konsumverhalten aber widersprüchlich. In den Ergebnissen der Umfrage des Bundesministeriums fordern sie zwar ökologisches und soziales Handeln ein, möchten aber zugleich weniger Abstriche machen, als es die hohen Ansprüchen vermuten lassen. Kaum jeder Zehnte kauft bereits Kleidung mit Öko-Siegeln, nur einer von vier Jugendlichen verzichtet auf Flugreisen. Immerhin jeder Dritte isst aus Umweltgründen weniger Fleisch oder kauft Bio-Lebensmittel.

„Heranwachsende haben noch eine sehr ausgeprägte Komfortzone“, sagt der Jugendforscher Simon Schnetzer. Man dürfe zudem nicht vergessen, dass Jugendliche mit ihren beschränkten Mitteln beim Konsum weniger Möglichkeiten hätten, auf einer persönlichen Basis auf ökologische Herausforderungen zu reagieren. Auch der Gruppendruck bei Themen wie Markenklamotten oder Selfietauglichkeit von Urlaubsbildern sei nicht zu unterschätzen.

Auf den Straßen herrsche unter jungen Menschen hingegen ein Gefühl einer gesteigerten Selbstwirksamkeit in Umweltfragen. Wenn Jugendliche in Berlin vor dem Bundestag stünden, wüssten sie, dass sie Teil einer „globalen Gleichzeitigkeit“ seien. Noch könne man keine Prognose darüber wagen, wie nachhaltig dieser ökologische Idealismus des „Fridays for Future“ sei. Der Prüfstein, sagt Schnetzer, dürfte der Moment sein, wenn der Charme der Demonstrationen verflogen ist.

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