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Politik: Frieden und Freundschaft

Chirac will den Krieg verhindern und die USA nicht verärgern

Wieder einmal hat Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac sein Talent als Meister der diplomatischen Inszenierung bewiesen. Zur besten Sendezeit meldete er sich am Montagabend im französischen Fernsehen zum Thema Irak zu Wort – lächelnd, selbstsicher und entschieden, den französischen Antikriegskurs bis zum Äußersten zu führen. „Selbst wenn die Chance nur noch eins zu einer Million ist, einen Krieg zu verhindern: Ich bleibe bei meiner Entscheidung", sagte er. Frankreich werde mit Nein votieren, sollte die neue, von den USA, Großbritannien und Spanien vorgelegte Resolution im Sicherheitsrat zur Abstimmung gebracht werden. Gut gebrüllt, französischer Löwe, freute sich Frankreichs Presse am Tag danach und erhob den Friedensnobelpreis-Kandidaten Chirac zum „Champion des Friedens". Beifall auch von Seiten der Opposition, egal ob Sozialisten, Kommunisten oder Grüne.

Hinter den Kulissen ist klar, dass Chirac mit seiner Veto-Ankündigung vor allem deshalb zum ersten Mal an die Öffentlichkeit gegangen ist, um die sechs bisher noch unentschlossenen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat – Guinea, Kamerun, Angola, Pakistan, Mexiko und Chile – von seiner Position zu überzeugen und an einer Zustimmung zu den amerikanischen Kriegsplänen zu hindern. Nach wie vor wäre Paris nichts lieber als die derzeit ohnehin wahrscheinliche Variante, dass die USA bei der Abstimmung der neuen Resolution die notwendigen neun Stimmen nicht erhalten und Frankreich sein Veto erst gar nicht einlegen muss.

Auch viele Mitglieder in Chiracs Partei UMP, die seit Wochen vor dem Bruch des transatlantischen Bündnisses warnen, zögen einen solchen Ausgang des Tauziehens um einen Irak-Krieg vor. Die französisch-amerikanische Freundschaft könnte fortbestehen, und Frankreich sähe seine wirtschaftlichen Interessen im Irak sowie die Möglichkeit, sich nach einem Krieg am Wiederaufbau des Landes zu beteiligen, nicht in Frage gestellt. Vorsichtshalber erklärte Chirac in seiner rund 40-minütigen Fernsehansprache deshalb: „Freunde sind manchmal unterschiedlicher Meinung, es gibt keinerlei Risiko, selbst bei einem französischen Veto, dass sich die Beziehungen zwischen Frankreich und Amerika verschlechtern."

In Washington wird dies etwas anders gesehen. US-Präsident George W. Bush erklärte, im Falle eines französischen Vetos wäre er „sehr enttäuscht"; Außenminister Colin Powell drohte mit „zumindest vorübergehend unangenehmen Folgen für Frankreich." Chirac kann offenbar damit leben, denn langfristig verfolgt er Ziele, die weit über das Irak-Problem hinausgehen. Ihm geht es ums Prinzip und um die Moral.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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