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Der Außenminister der Assad-Regierung und Ahmad Jarba, Präsident der Syrischen Nationalen Koalition, machten sich auf der Friedenskonferenz gegenseitig für das Blutvergießen verantwortlich.

© Reuters

Friedenskonferenz für Syrien: Schlagabtausch der Todfeinde

Der Auftakt der Syrienkonferenz lässt nicht unbedingt hoffen: Damaskus nennt die Rebellen „Terroristen“ – für die Opposition ist Baschar al Assad ein brutaler Machthaber mit „wahnsinnigen Ideen“. Der Schlagabtausch führte bei vielen Delegierten zu weiterer Ernüchterung.

Friedlich schimmert der Genfer See. Die Gipfel der Savoyer Alpen glänzen in der Wintersonne. Im Hotel Montreux Palace lässt man an diesem Mittwochmorgen schon gegen 9 Uhr die zitronengelben Blenden herunter. Doch in dem großen Verhandlungssaal des feinen Hauses, dort wo die Friedenskonferenz für Syrien erstmals tagt, ist von der harmonischen Atmosphäre nichts zu spüren. Rund um den großen Tisch herrscht aggressive Spannung. Zum ersten Mal sitzen Syriens Todfeinde beisammen: Vertreter des Herrschers Baschar al Assad und der Opposition.

Sie hatten sich auf den Weg in das beschauliche schweizerische Montreux gemacht, um der Welt ihre Version des blutigen Syrienkonflikts kundzutun. Eigentlich wollte der Gastgeber, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, auf dem Treffen den lange ersehnten Friedensprozess starten. „Heute ist ein Tag zerbrechlicher, aber realer Hoffnung“, sagte er zum Auftakt der eintägigen Sitzung vor den Vertretern von etwa 40 Regierungen und einiger internationaler Organisationen. Dann appellierte Ban an die Kriegsparteien: Die syrischen Delegationen sollten sich „ernsthaft und konstruktiv“ für ein Ende des fast drei Jahre dauernden Konflikts einsetzen. Laut Drehbuch der Vereinten Nationen werden das Assad-Regime und die Opposition am Freitag im Genfer Völkerbundpalast erstmals direkte Gespräche aufnehmen. „Es gibt keine andere Alternative zur Beendigung der Gewalt als eine politische Lösung“, gab der UN-Chef den Streithähnen mit auf den Weg.

„Das war keine Friedensrede, das war eine Kriegsrede.“

Doch dann ergriff der Außenminister der Assad-Regierung das Wort. Und mit jeder Minute der Rede von Walid Muallem reifte bei den Zuhörern die Erkenntnis, dass sich die Machthaber in Damaskus nicht um einen konstruktiven Dialog mit ihren Feinden scheren. Außenminister Muallem, ein beleibter Herr mit weißen Haaren, beschuldigte die Oppositionskräfte, aus „Terroristen“ und „Kriegstreibern“ zu bestehen, die Syrien ins Verderben stürzen wollten. Muallem prangerte auch Saudi-Arabien und kleinere Golfstaaten wie Katar an. Sie hätten „Blut an den Händen“. Sie wollten mit „barbarischen“ Methoden ein Syrien nach ihren rigiden Vorstellungen formen.

Nachdem Muallem seine vorgegebene Redezeit von zehn Minuten deutlich überschritten hatte, drang UN-Generalsekretär Ban höflich, aber bestimmt auf ein Ende. Muallem, sichtlich erregt, ließ nicht locker. Er giftete weiter. Insgesamt zog sich seine Tirade fast eine halbe Stunde hin. „Die Assad-Leute wollen gar nicht verhandeln. Sie wollen durch die Gespräche nur Zeit gewinnen“, urteilte ein arabischer Diplomat. „Das war keine Friedensrede, das war eine Kriegsrede.“

Direkt auf Assads Minister folgte Ahmad Jarba, Präsident der Syrischen Nationalen Koalition. Auch der Oppositionspolitiker schaltete rasch auf Angriff. Er bezichtigte Assad, seine „wahnsinnigen Ideen“ mit gnadenloser Gewalt zu verfolgen.

Erst Schlagabtausch, dann Ernüchterung

Jarbas Replik auf Muallem gipfelte in der Forderung, dass die Regierung in Damaskus sofort die Abschlusserklärung der ersten Syrienkonferenz von 2012 in Genf unterschreiben müsse. In dieser Erklärung wird die Bildung einer Übergangsregierung für das Bürgerkriegsland im „gegenseitigen Einvernehmen“ gefordert. Das aber würde nichts anderes bedeuten als das politische Aus für Präsident Assad.

Rückendeckung erhielt Syriens Opposition von den Vereinigten Staaten. Mit ernster Miene forderte US-Außenminister John Kerry ebenfalls einen Machtverzicht Assads: Es sei völlig ausgeschlossen, dass der Mann, der sein Volk brutal unterdrücke, weiter regieren könne. Doch noch in Montreux stellte die Delegation aus Damaskus unmissverständlich klar: Der Präsident bleibt.

Der Schlagabtausch führte bei vielen Delegierten zu weiterer Ernüchterung. Bereits vor Beginn der Gespräche hatten viele Regierungen vor hohen Erwartungen gewarnt. So sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow: Es bestehe zwar eine „realistische Chance“ auf einen Erfolg der Friedensgespräche zwischen dem Assad-Regime und der Opposition, aber eben keine „100-Prozent-Chance“.

Eine Politik der kleinen Schritte – „humanitäre Korridore“ in den Bürgerkriegsgebieten, der Austausch von Gefangenen – so lautete auch bei den anderen Diplomaten das Gebot der Stunde angesichts von mehr als 130 000 Toten und Millionen Flüchtlingen und Hungernden in Syrien.

Jan Dirk Herbermann

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