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Friedensnobelpreis an die EU: Business as usual in Brüssel

Mancherlei Kandidaten waren im Vorfeld für den Friedensnobelpreis gehandelt worden. Mit der EU hatte kaum jemand gerechnet. Wie wurdedie Entscheidung in der „europäischen Hauptstadt“ Brüssel aufgenommen?.

Staubtrocken geht es an diesem Freitagmorgen in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik zu. Wie es zur Brüsseler Alltagsroutine gehört, informiert die deutsche EU-Botschaft die Presse über die bevorstehenden Termine. Plötzlich macht die Meldung des norwegischen Rundfunks die Runde, wonach die Europäische Union den Friedensnobelpreis erhalten werde. Ein Journalist fragt, warum sie das verdient habe: „Weil sie das größte und erfolgreichste Friedensprojekt auf der Welt ist“, platzt es aus dem EU-Diplomaten heraus.

Was sich in der nächsten Stunde im Kommissionsgebäude abspielt, vor dessen Eingang ein Gedenkstein an den europäischen Gründervater Robert Schuman erinnert, verdeutlicht das Problem der EU nur zu gut. Aus der großen Idee Europa sei die Verwaltung der Idee geworden, stellt Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments gerne fest, weshalb die Menschen nun die Verwaltung als die Idee wahrnehmen und das Projekt insgesamt ablehnen würden. Und so wird in Brüssel an diesem besonderen Tag eben auch auf bürokratische Art gefeiert.

Stoisch verliest Kommissionspräsident José Manuel Barroso seine Erklärung, die „große Emotion“, von der er spricht, sieht man ihm nicht an. Er erinnert daran, wie Europa „aus den Ruinen des zerstörerischen Zweiten Weltkriegs“ hervorgegangen ist und die Nationen „in einem Friedensprojekt vereint hat, das auf supranationalen Institutionen gebaut ist, die das gemeinsame europäische Interesse repräsentieren“. Erst als Applaus auch unter den Journalisten aufbrandet, huscht ein Lächeln über Barrosos Gesicht, ehe er gleich wieder entschwindet. Seine Sprecherin versichert – auf etwaige Feierlichkeiten angesprochen –, es sei „noch keine Flasche Champagner geöffnet worden“.

Ist die Devise ausgegeben worden, dass zu viel Freude unpassend sein könnte? Der Korrespondent des eurokritischen „Daily Telegraph“ aus London fragt gleich, ob das Preisgeld nicht an die vielen jungen Spanier gehen solle, die wegen der Eurokrise ihren Job verloren hätten – „vielleicht auf eine griechische Insel“. Ein anderer lästert, nun folge sicher der Wirtschaftsnobelpreis. Die EU-Kommission setzt dem „Business as usual“ entgegen und beantwortet Fragen zur möglichen Verlängerung des Hilfsprogrammes für – Griechenland.

Tatsächlich hätte es keinen besseren Zeitpunkt geben können für die höchste aller Auszeichnungen, da es um das Selbstbewusstsein der EU-Institutionen nicht gut bestellt ist. Barroso selbst räumt ein: „Wir brauchten gute Neuigkeiten.“

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