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Friedensnobelpreis an IAEO: Lohn für Atomlobby oder Tritt für Bush?

Mit dem Friedensnobelpreis für die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO und ihren ägyptischen Chef Mohammed el Baradei (63) hat die Osloer Jury am Freitag einen nicht zu übersehenden Stilwechsel vollzogen.

Oslo - Eine wohletablierte und nicht unumstrittene UN-Behörde und ein Karrierediplomat an ihrer Spitze erhalten den berühmtesten Preis der Welt, nachdem zuvor mit der Kenianerin Wangari Maathai und der Iranerin Shirin Ebadi mutige Frauen für ihren zeitweise sehr einsamen und riskanten Kampf um Menschenrechte und Umweltschutz ausgezeichnet worden sind.

Als Erste mit deutlicher Kritik meldeten sich postwendend Umweltschützer, die das norwegische Komitee gerade im letzten Jahr für seine Erweiterung des Friedensbegriffes auf den Umweltschutz mit der Vergabe an Maathai über den grünen Klee gelobt hatten. «Jetzt muss aber mal sehr dringend die Doppelrolle der IAEO als Atomwaffenpolizei und als Verkäufer ziviler Atomkraft problematisiert werden», meinte ein Greenpeace-Sprecher.

Dass das Osloer Komitee in seiner Begründung auch die Rolle der Wiener UN-Agentur bei der «möglichst sicheren Anwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke» lobend heraushob, ließ manche Beobachter in Oslo an die Tschernobyl-Katastrophe 1986 zurückdenken, als die IAEO mit Baradeis Vorgänger Hans Blix an der Spitze wegen betont beschwichtigender Erklärungen heftig in die Kritik geriet.

Die Osloer Juroren können kontern, dass Träger des Friedensnobelpreises stets nur für eine bestimmte Leistung und nicht für ein «Gesamtbild» einer Person oder Organisation ausgezeichnet werden. Komiteechef Ole Danboldt Mjøs wies darauf hin, dass es vor allem um eins gegangen sei: «Wir wollen dem Kampf gegen die Atomwaffen neuen Auftrieb geben.» Und man müsse die Notwendigkeit gemeinsamer internationaler Anstrengungen betonen.

So ähnlich hatte es auch 2001 geheißen, als die UN und ihr Generalsekretär Kofi Annan ausgezeichnet wurden. Überall verstand man damals den Preis als Stellungnahme gegen politische Alleingänge der Supermacht USA und ihres noch relativ neuen Präsidenten George W. Bush. Die Auszeichnung an die IAEO und el Baradei hat nach Meinung Osloer Kommentatoren einen ähnlichen Hintergrund. «Alle Welt weiß doch, dass die USA die multilaterale Zusammenarbeit nicht wollen, für die die IAEO steht», meinte die Politologin Janna Matlary. Gerade nach dem total misslungenen UN-Gipfel in New York vor anstehenden Entscheidungen zum iranischen Atomprogramm sei der Friedensnobelpreis ein «Tritt in Richtung Bush» zur rechten Zeit.

Ob der Preis für die UN und Annan vor vier Jahren als «Tritt» eine Wirkung gehabt hat, vermögen wohl auch die Mitglieder des Osloer Komitees heute schwer zu beurteilen. Sicher ist, dass auch die diesjährige Verleihungszeremonie in Norwegens Hauptstadt am 10. Dezember einen deutlichen Stilwechsel mit sich bringen wird. Statt des betont bescheidenen Auftretens der iranischen Anwältin Ebadi und der kenianischen Umweltschützerin Wangari Maathai wird mit Mohammed el Baradei ein selbstbewusster Karrierediplomat im Rampenlicht stehen, der sein Licht nicht unter den Scheffel stellt. Er sei im letzten Jahr doch schon sehr enttäuscht gewesen, dass ihm der Preis nicht zuerkannt worden sei, vertraute der Ägypter norwegischen Journalisten an. (Von Thomas Borchert, dpa)

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