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Politik: Friedliche Revolution mit begleitender Sozialtherapie - wie das AfNS aufgelöst werden sollte

"Verfassungsschutz der DDR. Guten Tag!

"Verfassungsschutz der DDR. Guten Tag!" Auf diese skurille Art wurden ostdeutsche Bürger begrüßt, wenn sie vor zehn Jahren in ehemaligen Dienststellen der Staatssicherheit anriefen. Im Januar 1990 befand sich der verhasste Spitzeldienst im Umbruch. Unter Regierungschef Hans Modrow mutierte die "Firma" zu einem Amt für Nationale Sicherheit (AfNS). Wie wenig sich jedoch hinter den Kulissen änderte, verdeutlichte der Politologe Uwe Thaysen am Mittwoch abend in der Berliner Stadtbibliothek. Der Lüneburger Forscher referierte auf Einladung des Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen über MfS und Runden Tisch. Thaysen, der alle Sitzungen des Diskussionsforums besucht hat, konzentrierte sich auf den Umgang Modrows und der Opposition mit dem Stasi-Thema.

Bereits in der ersten Sitzung am 7. Dezember 1989 forderten die Vertreter des Runden Tisches den Premier auf, das AfNS "unter ziviler Kontrolle" aufzulösen und vom Aufbau weiterer Geheimdienste abzusehen. Modrow versprach schnelles Handeln und bestimmte einen Beauftragten für diese Aufgabe. Ungeachtet dessen wurden Aktenbestände vernichtet, so dass sich Bürgerrechtler genötigt sahen, die Zentralen zu besetzen. Thaysen: "Am Runden Tisch entwickelte sich ein Machtkampf erster Güte."

Doch auch das Forum hatte durchaus ein Stasi-Problem. Zwar ernteten SED/PDS-Vertreter Gelächter für ihre Feststellung, am Tisch säßen keine Spitzel. Dem Vorschlag, die Kontakte aller Diskutanten offenzulegen, stimmten aber nur zwei Politiker zu. Der Grüne Carlo Jordan setzte sich gar für eine psychiatrische Behandlung und berufliche Wiedereingliederung von MfS-Spitzeln ein. "Die einzige Revolution mit begleitender Sozialtherapie" nahm nach Einschätzung von Thaysen ihren Lauf.

Unterdessen wuchs auf der Straße die Wut. Nach immer neuen Stasi-Enthüllungen häuften sich Streikdrohungen, Bauarbeiter demonstrierten erstmals während der Arbeitszeit. Modrow musste nachgeben. Knapp 100 000 Menschen versammelten sich am 15. Januar 1990 vor dem Hauptgebäude der Staatssicherheit in der Berliner Normannenstraße. Modrow, der an diesem Tag erstmals am Runden Tisch erschienen war, fuhr mit Bürgerrechtlern zum Ort des Geschehens und konnte die Lage beruhigen. Die Revolution blieb friedlich, Bürgerkomitees übernahmen den Geheimdienst. "Der Machtkampf war entschieden", resümierte Thaysen.

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