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Ein Mann, der Säle füllen kann. Friedrich Merz, der Erfinder der Steuererklärung auf dem Bierdeckel, hat in der CDU noch immer glühende Verehrer.

© dpa

Friedrich Merz: Ein kleines Comeback in der CDU

Der einstige Fraktionschef Friedrich Merz zieht in eine CDU-Programmkommission ein – zu einem Zeitpunkt, da es in der Partei gärt. Was könnte das für die Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel bedeuten?

Von Robert Birnbaum

Wenn er will, kann Armin Laschet ganz wunderbar verblüfft aussehen, und heute will er. Wie das zustande gekommen sei mit ihm und Friedrich Merz? Ja, wie soll das gewesen sein: „Ich habe ihn gefragt“, sagt Laschet, „und er hat zugesagt.“ Dass der ehemalige Unionsfraktionschef nun also in einer Programmkommission der Bundes-CDU sitzt und am Montagnachmittag gleich den Eröffnungsvortrag hält – „wieso denn nicht?“ Dabei weiß der nordrhein-westfälische CDU-Chef natürlich ganz genau, dass von Selbstverständlichkeit keine Rede sein kann. Nachdem Angela Merkel ihn aus dem Amt geräumt und er 2009 dann auch nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatte, ist Merz auf Bundesebene nicht mehr politisch für die CDU aktiv geworden. Die Mitgliedschaft in Laschets Kommission ist eine Art kleines Comeback.

Das wirft natürlich Fragen auf, ob es beim kleinen Comeback bleibt. Merz, Erfinder der Bierdeckel-Steuerreform und der „Leitkultur“-Debatte, derzeit als Anwalt tätig, hat in der eigenen Partei immer noch einen beachtlichen Ruf gerade unter solchen, denen die Merkel-CDU fremd geblieben ist. Konservative und Wirtschaftsnahe kriegen glänzende Augen, wenn der Name des Sauerländers fällt.

Diese nachhaltige Prominenz hängt auch damit zusammen, dass die Frage nach dem „wirtschaftspolitischen Gesicht“ der CDU seit Merz’ Abgang eine Frage ohne Antwort geblieben ist. Der Wirtschaftsflügel hat viele Gesichter, aber keins, das Säle füllt. Der Mangel wird von vielen in der Partei in einem Moment besonders deutlich empfunden, in dem eine große Koalition monatelang mit dem sozialpolitischen Gabenbeutel über Land gezogen ist und die SPD einen rührigen Wirtschaftsminister stellt.

Das Gefühl, dass es so nicht weitergehen kann, hat schon zu denkwürdigen Koalitionen geführt. Seit kurzem kämpfen Wirtschafts- und Sozialflügel gemeinsam für einen Vorstoß zum Abbau der Kalten Progression. Am Wochenende startete die parteiinterne Jugendbewegung einen ähnlichen Vorstoß: Die „CDU2017“- Truppe junger Politiker um den Gesundheitsexperten Jens Spahn fordert eine „Agenda 2020“. Man müsse jetzt, in relativ guten Zeiten, „endlich mal die Kraft zu Reformen“ aufbringen, um die Zukunft von Morgen zu sichern, verlangt Spahn: „Leider macht uns der derzeitige Erfolg eher träge als kreativ.“

Bei den Älteren in der CDU-Spitze lösen derlei Thesen eine durchwachsene Reaktion aus. „Reformen sind immer gut“, sagt etwa Laschet, nur: „Konkrete Vorschläge wären auch gut.“ Andererseits hat ausgerechnet Merkel, die sich ja durchaus als Ziel der Kritik betrachten könnte, die Initiative der Jungen gelobt. Es sei sehr gut und richtig, hat die CDU-Vorsitzende im Vorstand gesagt, dass sich die Gruppe Gedanken über die Zukunft mache, und hat sie ausdrücklich zur Mitarbeit in den einschlägigen Kommissionen ermuntert. Merkel hat schließlich schon in den letzten Fraktionssitzungen mitbekommen, dass die Jungen im Trend liegen. Auch unter den Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU ist das Gefühl verbreitet, es sei jetzt erst mal gut mit sozialpolitisch-sozialdemokratischen Projekten. Die jüngsten Hinweise auf eine abbröckelnde Konjunktur verleihen dem Gefühl eine argumentative Basis.

Dass Merz ausgerechnet zu einem solchen Zeitpunkt auftaucht, macht die Personalie doppelt interessant. Nun ist es mit solchen Kommissionen und ihren Mitgliedern freilich so eine Sache. Der CDU-Vorstand hat zu Jahresbeginn drei dieser Gremien eingesetzt. Sie sollen sich unter Leitung der Vize-Parteichefs Laschet, Julia Klöckner und Thomas Strobl Gedanken über die „Zukunft der Bürgergesellschaft“, über „Nachhaltig leben“ und über die „Arbeit der Zukunft“ machen, die sie dann dem CDU-Parteitag in Köln Anfang Dezember vorstellen sollen. Bei solchen Gelegenheiten entstehen üblicherweise Papiere, die anschließend die Schubladen bevölkern oder zu Absätzen verkürzt in Wahlprogrammen landen.

Merz sitzt übrigens in der Kommission zur Bürgergesellschaft. Vom Fach her würde er eigentlich in Strobls wirtschaftspolitisches Kolloquium gehören, aber landsmannschaftlich steht ihm Laschet einfach näher. Ansonsten übrigens auch: „Ich habe seinen Rat immer geschätzt“, sagt Laschet mit einer Betonung auf dem „ich“, dass gleich klar wird, dass andere darauf in den letzten Jahren nicht so viel Wert gelegt haben. Von Angela Merkel zum Beispiel ist zwar bekannt, dass sie mit dem Ex-Konkurrenten durchaus auch schon mal geredet hat. Von Angeboten zur Rückkehr in die Bundespolitik weiß man aber nichts.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber weist denn auch darauf hin, dass in Laschets Kommission neben dem Ex-Fraktionschef weitere Externe tätig werden. Wenn Merz am Montag im Konrad-Adenauer-Haus seine Gedanken zur digitalen Gesellschaft vorgestellt hat, referiert gleich anschließend der Politologe Karl- Rudolf Korte. Ob Merz im Dezember eine herausgehobene Rolle auf der Parteitagsbühne spielen wird? Laschet sagt, das sei noch völlig unentschieden. Was umgekehrt immerhin heißt: Vorstellbar wäre es. Wer den glänzenden Redner Merz noch in Erinnerung hat, der kann sich ungefähr vorstellen, wie solch ein Auftritt die Delegierten begeistern könnte.

Dass Merz selbst die Kommissionsarbeit als erste Stufe eines Comebacks betrachten könnte, glaubt allerdings im Moment so richtig niemand. Laschet hingegen werden von Leuten aus der CDU- Spitze durchaus Hintergedanken zugetraut – etwa den, dass der NRW-Chef den prominenten Parteifreund bei der Landtagswahl 2015 in sein Kompetenzteam bitten könnte. Merz könnte dabei zugleich einen Part spielen, der bisher in der CDU praktisch nicht besetzt ist – als Antwort auf die neue Konkurrenz von der „Alternative für Deutschland“ (AfD).

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