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Politik: Fröhliches Sozialminister-Mobben (Kommentar)

Es sieht so aus, als sollte Sozialminister Walter Riester gemobbt werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Sozialminister manchem in der Regierungsriege zu behäbig ist.

Es sieht so aus, als sollte Sozialminister Walter Riester gemobbt werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Sozialminister manchem in der Regierungsriege zu behäbig ist. Auch der Kanzler hat sich geärgert, weil Riester seine Green-Card-Initiative zu halbherzig, zu bürokratisch umgesetzt habe. Jetzt hat ihm, einen Tag bevor sich Riester mit der Opposition zu neuen Gesprächen über die Rentenreform trifft, ausgerechnet Hans Eichel mit Schwung Knüppel zwischen die Beine geworfen. Sein Vorschlag, die Rentenreform zu vertagen, muss Riester kalt erwischt haben. Da verbreitet der Sozialminister seit Monaten Optimismus, malt mit schönsten Farben aus, dass ein Rentenkonsens von Regierung und Opposition schon im Sommer möglich sei - und nun das!

Eichels Begründung für eine Verschiebung hat auf den ersten Blick etwas für sich. Irgendwann, vermutlich im Frühjahr, wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob Renten künftig wie Beamtenpensionen besteuert werden müssen. Das berührt auch die Rentenreform. Also möchte Eichel lieber erst abwarten, was die Richter sagen. Nein, Eichels Aktion diente nicht dazu, Riester zu mobben und zu mehr Tempo bei der Reform anzutreiben. Dieses Mal ist es Eichel, der hektisch auf die Bremse tritt.

Verkehrte Welt: Eichel, der viel gelobte Reformer, gibt sich plötzlich verzagt. Und Riester, der so oft kritisierte Zauderer, drückt aufs Reformtempo. Der Sozialminister hat Recht. Wer gestalterisch tätig werden will, der darf sich jetzt nicht ruhig zurücklehnen und auf den Karlsruher Richterspruch warten. Riesters Zeitplan ist ehrgeizig. Ein bisschen zu ehrgeizig, wenn man bedenkt, dass der Minister bislang selbst noch kein geschlossenes Konzept vorgelegt hat, wie er die Altervorsorge für die nächsten 30 Jahre sichern will. Doch für weitere Verschiebungen, mit denen man sich vor den unangenehmen Wahrheiten drückt, ist keine Zeit. Die Strukturreform der Rentenversicherung ist lange überfällig. Wenn Riester sie jetzt, endlich, in Angriff nehmen will, sollte er sich den Schwung von den Bedenkenträgern nicht nehmen lassen.

Warum hat Eichel so scharf gegen seinen Kollegen geschossen? Der Finanzminister wird bei der Rentenreform ein gutes Wörtchen mitzureden haben. Schließlich muss er sehen, wie er das Geld auftreibt, mit dem der Staat den Deutschen eine private Zusatzversorgung künftig steuerlich schmackhaft machen will. Eichel, der sparsame Haushälter, hat den Sozialpolitikern mit seinem Vorstoß ziemlich drastisch klargemacht, dass ohne ihn nichts läuft. Und gegen ihn schon gar nichts. Das macht, leider, nur wenig Mut, dass Rot-Grün bei der so wichtigen Rentenreform jetzt wirklich aktiv wird. Eichel will das Karlsruher Urteil möglicherweise allein deswegen abwarten, um dann nur die Veränderungen für die Rentenreform zuzulassen, die das Gericht als absolutes Minimum fordert. Das ist bequem. Und die Selbstaufgabe der Politik.

Riester sollte also weiter aufs Tempo drücken. Wie wäre es, wenn Rot-Grün bald ein geschlossenes Rentenkonzept vorstellt? Sonst bremst Eichel bald wieder. Wenn das so weitergeht, ändern sich am Ende noch die Rollen. Riester wird zum mutigen Reformer. Und Eichel, der Superstar im Kabinett, bekäme am Ende den schwarzen Peter.

Carsten Germis

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