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Politik: Frühe Einsicht, späte Einsicht

Wie Schröder den Wahlkampfauftakt in Thüringen bestreitet

Von Matthias Schlegel

Die SPD sei eben keine Schönwetterpartei. Kämpferisch ruft der Spitzenkandidat für die Thüringer Landtagswahl, Christoph Matschie, den Satz in den Dauerregen am Erfurter Anger hinaus. Der Mann steht auf der Bühne mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem Aufbau-Ost-Minister Manfred Stolpe und den Thüringer SPD-Kandidaten für die Europawahl im Trockenen, vor rund 300 unverdrossenen, zumeist beschirmten Thüringern. Und als dann der Kanzler ans Rednerpult tritt und das Dauerpfeifkonzert der weiter hinten Stehenden aufklingt, hat die Szenerie fast etwas Symbolhaftes – ihr lasst uns im Regen stehen.

Schröder, ganz europäisch-staatsmännisch, legt sich stimmlich kräftig ins Zeug bei diesem Auftakt der SPD zum Europawahlkampf und zur Thüringer Landtagswahl am 13. Juni. Was seien schon die Probleme der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der wirtschaftlichen Konkurrenz „verglichen mit diesem großartigen Ereignis der Einheit Europas, der Überwindung von Krieg“. Angesichts der Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern und den Kämpfen im Irak sei ein vereintes Europa die einzige Kraft, die eine positive Rolle bei der Stabilisierung der Situation in diesem Teil der Welt spielen könne.

Schröder begnügt sich an dieser Stelle mit einem Seitenhieb auf die Opposition: Mit Blick auf den Irak-Konflikt sehe er „mit Befriedigung, dass inzwischen auch unsere politischen Gegner der Auffassung sind, dass es wohl falsch war, einen Krieg dort zu beginnen“. Er akzeptiere, dass die Union zur Einsicht gekommen sei. „Aber dann haben sie auch zu akzeptieren, dass es besser gewesen ist, dass wir diese Einsicht früher hatten und entsprechend gehandelt haben.“

Dann kommt der Schwenk zu den Sorgen derer da unten: Es gelte, sich auf größere Märkte und härtere Konkurrenz, aber auch auf die zunehmende Alterung der Gesellschaft einzustellen. „Wir sind mitten in einem gewiss auch schmerzhaften Prozess“, ruft Schröder in das anschwellende Pfeifkonzert hinein. „Wir müssen es schaffen, unser Land in dem größer gewordenen Europa wettbewerbsfähiger zu machen.“ Das sei der Kern der Agenda 2010: „Wir müssen es schaffen, nicht mehr Vergangenheit zu subventionieren, sondern in die Zukunft zu investieren“: Bildung, Forschung, bessere Kinderbetreuung. Nach zwanzig Minuten ist Schröders Tour durch Europa beendet.

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