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Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse

© TSP/Kai-Uwe Heinrich

Früherer Bundestagspräsident: Thierse sieht keine Rechtfertigung für rechte Gewalt im Osten

Wirtschaftliche Probleme dürften nicht als Grund für rechtsextreme Gewalt in Ostdeutschland gelten, sagt Wolfgang Thierse. Erklärungen sollten nicht wie Verständnis klingen.

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat zum Tag der Deutschen Einheit davor gewarnt, Rechtsextremismus in Ostdeutschland mit ökonomischen oder gesellschaftlichen Schwierigkeiten zu rechtfertigen. Erklärungsversuche der Lage in den neuen Ländern könnten leicht "wie Verständnis" klingen, und "das darf auf keinen Fall sein", sagte Thierse am Samstag im Deutschlandfunk. "Es gibt keinerlei Argument, auch keinerlei Hinweis auf wirtschaftliche und soziale Probleme, die irgendwie Gewalt rechtfertigen, egal ob in Ost oder West", sagte er weiter.

Im Osten seien etwa die Produktivität, die Einkommen sowie die Löhne niedriger, sagte Thierse weiter. "All das erklärt Stimmungsunterschiede, aber es erklärt natürlich nicht die Gewalt, die da gelegentlich explodiert, aber da darf man eben auch nichts beschönigen", sagte er.

Bezogen auf die Bevölkerungszahl sei "rechtsextremistische Gewalt in Ostdeutschland etwa vier- bis fünfmal so hoch wie im Westen". Das sollten auch alle ostdeutschen Ministerpräsidenten zur Kenntnis nehmen und auch viele Journalisten, die das wieder relativieren wollten. "Ich sag da als Ostdeutscher, wir haben da selbstkritisch auf unsere eigene Entwicklung zu schauen", sagte Thierse.

Thierse führte die Verbreitung rechter Ideologien und Gewalt im Osten auch auf die Umstände des politischen Wechsels zurück. "Wenn ich den Stimmungsunterschied sehe, die AfD-Ergebnisse, Pegida, NPD-Erfolge und vieles andere – um das überhaupt zu begreifen, was da passiert, muss man sich noch mal erinnern an die Radikalität des Umbruchs 1990 und folgende", sagte er. "Der Umstand auch, dass wir in der DDR ja doch eingesperrt waren und den alltäglichen selbstverständlichen Umgang mit den Fremden und dem Fremden nicht erlernen konnten, da haben die Westdeutschen einen erheblichen Vorsprung." Zudem seien "rechtsextreme Ideologen ja ausdrücklich nach Ostdeutschland gezogen sind, um sich dort das Feld ihrer Propaganda zu suchen."

Er wünsche sich einen friedlichen Tag der Deutschen Einheit in Dresden, sagte Thierse. Die Mehrheit müsse begreifen, dass es Anlass zum feiern gibt. "Nicht sich das Vergnügen am Glück der deutschen Einheit verderben lassen", sagte er. (Tsp mit AFP)

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