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Politik: Frust in Uniform

Noch nie haben so viele Soldaten dem Wehrbeauftragten geschrieben wie 2002 / Kritik an langen Auslandseinsätzen

Von Robert Birnbaum

DIE DEBATTE UM DIE BUNDESWEHR

Willfried Penner sieht sich von Amts wegen am klaren Wort gehindert. Umso mehr empfiehlt es sich, bei dem Wehrbeauftragten des Bundestages auf Halbsätze zu achten. Die Zahlen, sagt Penner zum Beispiel, gäben schon Anlass, darüber nachzudenken, ob in ihnen nicht auch „Hader und Unzufriedenheit“ sich ausdrückten. Das bezog sich auf das ungewöhnlich hohe Interesse am Frühpensionierungsprogramm der Bundeswehr, könnte aber genauso auch auf den ganzen Jahresbericht des Wehrbeauftragten angewandt werden. 6463 Eingaben im Jahr 2002 sind nicht nur ein Drittel mehr als im Jahr davor, sondern auch die höchste Eingabequote aller Zeiten, Tendenz im laufenden Jahr weiter ansteigend.

Bedenklich wird der Rekord beim Blick darauf, wie er zustande kommt. Es sind immer mehr die Zeit- und Berufssoldaten, die ihre Sorgen abladen. Sie hängen mit dem Reformdruck in der Armee zusammen. Penner nennt die Klage über die sechsmonatige Einsatzdauer, macht aber auch auf massive Folgen für die Armee im Inland aufmerksam, die immer häufiger mit Material- wie Personalmangel zurechtkommen müsse: „Soldaten, die überfordert und nur noch passiv zugegen sind, können das Erreichen noch so gut gemeinter Ziele erschweren.“

Dabei geht es keineswegs nur um materielle Fragen. Was Penner erkennbar noch mehr Sorgen macht, sind zunehmende Probleme der Truppe mit dem eigenen Berufsverständnis. Ein „Grummeln“ hat er bei seinen Besuchen an der Basis vernommen, dass man ja doch immer nur der Dumme im großen politischen Spiel sei. Penner sieht das ausdrücklich nicht so. Die Unzufriedenheit macht ihm darum nicht weniger zu schaffen. Dass über Geld diskutiert werde, sei ja legitim, sagt er. Aber das dürfe nicht dazu führen, „dass der Soldat als Staatsbürger in Uniform seinen Platz verliert und zum Söldner als militärischer Kostenfaktor mutiert“.

Die Gefahr sieht Penner offensichtlich; um so mehr, je mehr schon wieder von neuen Abstrichen die Rede ist. Eine Reformpause? Zu der Frage will Penner ausdrücklich nichts sagen. Was ja so ziemlich die beredteste Antwort ist, die man sich denken kann.

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