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Führerscheinentzug für Kleinkriminelle: Richterbund kritisiert Pläne von SPD und Union zum Fahrverbot

Union und SPD wollen künftig Kleinkriminellen als Strafe den Führerschein wegnehmen lassen. Der Richterbund meint: Das lässt sich kaum kontrollieren. Aber es gibt auch Lob für die Pläne.

Das von Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen vereinbarte Fahrverbot als Strafe für Kleinkriminelle stößt beim Deutschen Richterbund auf Ablehnung. „Wenn eine Strafe nicht jeden treffen kann, weil nicht jeder einen Führerschein hat, wären nicht mehr alle vor dem Gesetz gleich“, sagte Stefan Caspari, Mitglied der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, dem „Münchner Merkur“ (Freitagsausgabe). Dies würde einen Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz bedeuten.

Auch sei fraglich, ob das Fahrverbot zu vollstrecken wäre, sagte Caspari. „Bei einer Haftstrafe wird der Verurteilte im Zweifel gefasst, eine Geldstrafe wird eingetrieben. Doch ob sich jemand an ein Fahrverbot hält, lässt sich kaum überprüfen“, sagte der Richter. Die Pläne von Union und SPD, den Entzug des Führerscheins auch als Sanktion für Straftaten wie Diebstahl einzuführen, waren am Donnerstag bekannt geworden. „Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen“, heißt es im Koalitionspapier der Arbeitsgruppe Inneres und Justiz. Die Idee wird vor allem in der Union schon länger diskutiert, ist bei Juristen allerdings umstritten. Bislang kann ein Fahrverbot nur verhängt werden, wenn es einen Zusammenhang zwischen Straftat und Fahren gibt.

"Eine gute Alternative zum Freiheitsentzug"

„Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen“, heißt es im Koalitionspapier der Arbeitsgruppe Inneres und Justiz, wie am Donnerstag bekannt wurde. Polizeigewerkschaften reagierten positiv, Verkehrsverbände kritisch. "Das ist eine gute Maßnahme, die eine gute Alternative zum Freiheitsentzug ist“, stellte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Donnerstagabend nach der großen Runde der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hinter den Vorschlag der Arbeitsgruppe. Ein Fahrverbot könne „ein gutes Stoppsignal für eine Fehlentwicklung sein“.

Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann räumte in der „Welt“ ein, dass das Thema nicht auf dem „Wunschzettel“ seiner Partei in den Koalitionsverhandlungen gestanden habe. Er fügte aber hinzu, dass eine solche Strafe „belehrender“ wirken könne als eine Geldstrafe.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigten sich zufrieden. Insbesondere bei jungen Menschen könne eine solche Sanktion Wirkung zeigen, erklärte DPolG-Chef Rainer Wendt. Sie sei besser als eine Freiheitsstrafe, weil sie die jungen Menschen einerseits vor einer Haft und deren möglichen negativen Folgen bewahre und andererseits besser als eine Geldstrafe, die meist von den Eltern gezahlt werde. Der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow erklärte: Die Ausweitung von Fahrverboten auf andere Delikte „bedeute eine wirksame Abschreckung insbesondere für junge Mehrfachtäter“.

Führerschein weg nach Handtaschenraub? Die Koalition plant ein Fahrverbot für Kleinkriminelle.
Führerschein weg nach Handtaschenraub? Die Koalition plant ein Fahrverbot für Kleinkriminelle.

© dpa

"Voll daneben“ findet dagegen der ACE Auto Club Europa die Pläne. Ähnliche Vorstöße seien schon in der Vergangenheit rechtspolitisch ins Leere gelaufen, erklärte der Verein. Dem Vorschlag hänge „der Geruch des Populismus“ an. Scharfe Kritik kam von dem ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). In einer gemeinsamen Erklärung werteten beide den Vorschlag als eine „extreme Diskriminierung umweltfreundlicher Mobilitätsformen“. ADFC und VCD forderten Union und SPD auf, sie sollten „jetzt den Übergang von einer autozentrierten zu einer nachhaltigen Mobilitätskultur meistern“. Mit kritischer Ironie reagierte der Verband Allianz pro Schiene. Offensichtlich wollten die beteiligten Politiker von Union und SPD „dem öffentlichen Verkehr neue Kundengruppen erschließen“, hieß es in einer Erklärung. Allerdings sei die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus deren Sicht „offenbar schlimmer als Gefängnis oder Geldstrafe“.

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