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Führungswechsel bei der SPD: Union ganz wehmütig

CDU und CSU trauern Kurt Beck nach – weil es jetzt schwerer für sie wird. Die Querelen in der SPD ließen bisher die Streitereien in der Union in Vergessenheit geraten.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Es sagt keiner direkt und schon gar nicht öffentlich. Aber dass die Union dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck hinterhertrauert, steht außer Frage. Sie tun es freilich auf ihre Weise. „Natürlich ist die SPD jetzt stärker aufgestellt“, sagt ein Spitzenmann aus dem C-Parteienlager. „Beck hat ja nur noch gelähmt“, sagt ein anderer. Und ein dritter, Mitglied der CDU-Führung, klingt fast wehmütig: „Unsere richtig guten Tage sind vorbei.“

Die Krokodilstränen sind verständlich. Die SPD hat mit ihren Querelen und Streitereien das Sommertheater im Solo bestritten, die Streitereien und Querelen in der Union gerieten fast in Vergessenheit. Obendrein bescherte Becks Wackelkurs im Umgang mit der Linkspartei der Union ein Gratis-Wahlkampfthema, das über die Bayern-Wahl hinaus eigene Anhänger zu mobilisieren versprach.

Seit Sonntag ist es mit dieser bequemen Lage vorbei. In einem Duo aus Beck und Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat wäre der Parteichef ein leichtes Ziel für den Vorwurf geworden, die Absage an Rot- Rot-Grün im Bund sei nicht ernst zu nehmen. Dem künftigen Parteichef Franz Müntefering ist kaum anzuhängen, dass er heimlich auf den Pakt mit Oskar Lafontaine setzen könnte. Ob die Hessen-SPD nun mit der Linkspartei paktiert oder nicht, hat erheblich an Erregungspotenzial verloren: Becks Schicksal, sagt ein führender Christdemokrat, habe an Hessen gehangen – Münteferings Schicksal tut es nicht. Dass der alte neue Parteichef von einem SPD-Sonderparteitag gewählt werden wird, während zeitgleich in Hessen ein Linken-Parteitag berät, taugt nur noch zur Randnotiz.

Aber auch jenseits der Linksbündnis-Frage geben sich Spitzenleute der Union keinen Illusionen hin. Zum einen werde die SPD in den Umfragen ansteigen, weil das Prinzip Hoffnung, das jedem Personalwechsel innewohne, auf die Wähler abfärbe. Vor allem aber könne Müntefering wieder angreifen. „Die Arbeitsteilung ist doch klar“, sagt ein Christdemokrat. „Steinmeier wird den guten Menschen geben, und Müntefering wird attackieren.“ Schon bei der ersten Pressekonferenz der beiden am Montag sei das Muster deutlich geworden: „Er wird Angela Merkel abwechselnd Führungsschwäche und klammheimlichen Neoliberalismus vorwerfen.“

Sehr aufmerksam haben sie in der Union zudem registriert, dass Müntefering gleich zu Anfang die soziale Tradition der SPD ebenso betont hat wie den Anspruch auf kulturelle Meinungsführerschaft im Lande. Beides rührt an die Unionstraumata von 2002 und 2005, als Gerhard Schröder aus fast aussichtsloser Position die große Aufholjagd hinlegte.

Die Erinnerung an jene Tage freilich lässt manchen in der Union der neuen Lage auch Gutes abgewinnen. „Nichts ist schlimmer für den Wahlkampf als wenn man schon gefühlt gewonnen hat“, sagt einer, dessen Wort bei Merkel Gewicht hat. Einen ernst zu nehmenden Gegner zu haben sei da letztlich besser. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass der neue alte Gegner in den eigenen unzufriedenen Truppenteilen die Selbstdisziplin fördert. Am besten wäre es, sagt ein Unionsmann, „wenn unsere Leute auch weiterhin das Hadern mit der eigenen Führung der SPD-Linken überlassen“.

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