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Politik: Fünf Stunden in Kabul

Zu Beginn seiner Asienreise macht George W. Bush überraschend in Afghanistan Station

Es war buchstäblich ein Besuch aus heiterem Himmel. Eigentlich sollte Bush zum Auftakt seiner Südasienreise direkt nach Indien in die Hauptstadt Neu-Delhi fliegen. Doch stattdessen steuerte die Präsidentenmaschine Air Force One am Mittwoch erst Afghanistan an. Der Abstecher an den Hindukusch war aus Sicherheitsgründen geheim gehalten worden. In Kabul wurde Bush von Afghanistans Präsident Hamid Karsai empfangen.

Bei einer Pressekonferenz mit Karsai gab sich Bush beeindruckt von den Fortschritten des Landes. Er sei zuversichtlich, dass Terrorchef Osama bin Laden und der Talibananführer Mullah Omar gefasst würden. Dies sei eine Frage der Zeit. Karsai nannte Bush den Mann, „der geholfen hat, uns zu befreien“.

Der Besuch galt als überfällig. Tatsächlich war es das erste Mal, dass Bush seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren und dem Angriff auf das Talibanregime im Herbst 2001 das Land besuchte. Die fünfstündige Stippvisite, die auch einen Besuch bei US-Soldaten umfasste, hatte vor allem symbolischen Charakter. Angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage demonstrierte Bush nicht nur Unterstützung für die US-Truppen, sondern auch für Afghanistans Präsidenten.

In der Tat ist das Land über vier Jahre nach Ende des Talibanregimes von Ruhe und Frieden weit entfernt, Anschläge, Gewalt und Kriminalität mehren sich. Noch immer sind fast 19 000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert, die Al Qaida, Taliban und andere islamische Extremisten jagen. Bisher starben dabei mehr als 130 US-Soldaten. Die USA wollen ihre Truppen im unruhigen Süden schrittweise um rund 3000 Soldaten reduzieren. Dort soll die internationale Schutztruppe Isaf mehr Verantwortung übernehmen.

Bush, den US-Außenministerin Condoleezza Rice und seine Ehefrau Laura begleiten, wurde am Abend in Neu-Delhi erwartet. Dort kam es im Verlauf des Tages zu ersten Protesten. Zehntausende Muslime demonstrierten gegen den Besuch und die „Invasion“ der USA in Afghanistan und im Irak. Die Organisatoren sprachen sogar von 100 000 Demonstranten, die „Tod für Bush“ und „Geh zurück“ skandierten. Etwa 130 Millionen der eine Milliarde Inder sind Muslime. Für Donnerstag haben linke Parteien zu Massendemonstrationen aufgerufen.

Es ist der erste Besuch Bushs auf dem Subkontinent. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern waren über Jahrzehnte angespannt bis feindselig. Erst Bushs Vorgänger Bill Clinton beendete die Eiszeit und reiste 2000 nach Indien, nachdem 22 Jahre kein US-Präsident der zweitgrößten Nation der Welt einen Besuch abgestattet hatte. Bush will mit einer Reihe von Initiativen die neue „Partnerschaft“ mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien vorantreiben. Differenzen löst aber das geplante Abkommen zur zivilen Atomzusammenarbeit aus, das Indien besonders wichtig ist. In Kabul sagte Bush, er hoffe, dass man die Streitpunkte ausräumen könne.

In Pakistan, wo Bush am Samstag erwartet wird, töteten die Streitkräfte nach eigenen Angaben bei einer Antiterroroffensive etwa 40 mutmaßliche Terroristen. Pakistanische Truppen lieferten sich heftige Gefechte mit den Männern, die sich im Dorf Saidgai in der Unruheprovinz Nord-Wasiristan an der Grenze zu Afghanistan verschanzt hatten. Bei den Getöteten handele es sich mehrheitlich um Ausländer, sagte ein Sicherheitsbeamter, darunter ein tschetschenischer Kommandeur. Die Kämpfer hätten sich in dem Lager zu einem Treffen versammelt.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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