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Politik: Fünf Wochen flirten

Von Sabine Heimgärtner, Paris Die neue rechts-bürgerliche Regierung in Frankreich hat keine Zeit zu verlieren. Das Kabinett des Liberalen Jean-Pierre Raffarin ist mit 15 Schlüsselministerien deutlich schlanker als das seines Vorgängers Lionel Jospin.

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Die neue rechts-bürgerliche Regierung in Frankreich hat keine Zeit zu verlieren. Das Kabinett des Liberalen Jean-Pierre Raffarin ist mit 15 Schlüsselministerien deutlich schlanker als das seines Vorgängers Lionel Jospin. Es steht vor der heiklen Aufgabe, innerhalb von fünf Wochen Akzente setzen zu müssen, ohne wirklich beschlussfähig zu sein, denn es hat kein Parlament im Rücken. Am Freitag kam die neue Übergangsregierung zu ihrer ersten Kabinettssitzung zusammen.

Am 9. Juni ist die erste Wahlrunde zu den Parlamentswahlen. Erst bei der zweiten Runde am 16. Juni entscheiden die Wähler bei einer Stichwahl endgültig, welches Parteienspektrum die Mehrheit in der Nationalversammlung haben wird. „Im Galopp“, heißt deshalb die Devise, die Raffarin im Gespräch mit Journalisten selbst ausgegeben hat. Auf der Prioritätenliste steht, Frankreich wieder mehr Wachstum zu bescheren, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Kriminalität zu bekämpfen.

Dass diese Ziele kurzfristig nicht zu erreichen sind, ist allen Beteiligten klar. Die neue Politikergarde setzt in enger Absprache mit Chirac deshalb auf populäre Maßnahmen: Ein Gesetz zur Einkommenssteuersenkung von fünf Prozent soll bereits in der kommenden Woche vorbereitet und in der Sommerpause verabschiedet werden, ebenso ein Gesetz zur Rentenreform. Die für viele kleine Betriebe belastende Einführung der 35-Stunden-Woche soll teilweise zurückgestellt werden und, das größte Projekt, rigorose Umstrukturierungen im Polizeiapparat und Justizsystem sollen für mehr Sicherheit in Frankreichs Großstädten sorgen.

Wie wirksam selbst kleine Zugeständnisse an Frankreichs frustrierte und politikverdrossene Bevölkerung sein können, machten gleich vier der neuen Minister vor. Verkehrsminister Gilles de Robien legte den Bau eines dritten Großflughafens bei Paris auf Eis. Die Vorgängerregierung hatte den Flughafen in der ländlichen Region Somme nördlich von Paris geplant. Der neue Gesundheitsminister Jean-François Mattei, selbst ein Arzt, solidarisierte sich an seinem ersten Tag im Amt mit den seit Monaten für höhere Honorare demonstrierenden Allgemeinärzten. Nicolas Sarkozy, Chef des Superministeriums für Innenpolitik und Sicherheit, verbrachte die ganze Nacht mit Gendarmen und Polizisten in Pariser Vororten auf der Jagd nach illegalen Zuhälterringen.

Die neue Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie eilte wenige Stunden nach dem Selbstmordattentat gegen französische Ingenieure in die pakistanische Hauptstadt Karachi. Regierungschef Raffarin kündigte einen Kassensturz an – innerhalb einer Woche soll die Staatskasse offen gelegt werden. Beifall in allen Zeitungen, positives Echo auf der Straße. Fürs erste scheint es so, als ginge Chiracs Konzept der „Bürgernähe“ auf.

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