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Politik: „Für alle Ewigkeit“

Israel erlaubt Siedlern im Westjordanland zu bleiben – und der US-Präsident ist damit einverstanden

Er ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Überzeugungstäter. Er macht, was er für richtig hält. In seiner Welt gibt es Gut und Böse. Mühsame Verhandlungen, komplizierte politische Prozesse, das Schmieden von Koalitionen: All das ist ihm instinktiv zuwider. Nur diese persönlichen, charakterlichen Eigenschaften des amerikanischen Präsidenten können erklären, warum er Israels Premier Ariel Scharon jetzt derart demonstrativ unterstützt hat. Bush mag Scharon. Er schätzt ihn als seelenverwandt. Israel befinde sich in demselben Krieg gegen den Terrorismus wie Amerika, sagte der US-Präsident am Mittwoch. Das verbindet.

Natürlich ist auch Wahljahr. Alle großen US-Zeitungen spekulierten am Donnerstag, ob Bush mit seiner drastischen Wende in der Nahostpolitik auf die Wählerstimmen von Juden und prozionistischen Christen zielt. Amerikanische Juden wählen traditionell demokratisch. Ihre Wahlbeteiligung ist hoch. In Staaten wie Florida, Ohio und Pennsylvania könnten im November ein paar tausend Stimmen den Ausschlag geben.

Kaum ein US-Präsident hat sich im Nahostkonflikt je deutlicher auf die Seite Israels geschlagen als Bush. Allerdings ist unklar, ob es ihm damit wirklich schon gelungen ist, die festen Bande der amerikanischen Juden zur demokratischen Partei zu lockern. Diese Absicht dürfte auch nicht im Vordergrund seines Vorstoßes gestanden haben. Wichtiger waren seine Freundschaft zu Scharon und der Wille, im Nahen Osten möge sich endlich etwas bewegen. Dass es einen internationalen Friedensplan, die „Roadmap" gibt, ist Bush egal. Ohne sich zuvor mit den Partnern des Friedensplanes abgesprochen zu haben, brüskiert er sie nun durch die fast bedingungslose Unterstützung von Scharons Rückzugsplan. Dem jedoch liegt die Prämisse zugrunde, dass eine Verhandlungslösung des Konfliktes nicht mehr möglich ist. Deshalb sollen einseitig Fakten geschaffen werden. Dazu zählt, dass mehrere große Siedlungsblöcke in der Westbank „für alle Ewigkeit", wie Scharon es unmissverständlich ausdrückt, in isrealischer Hand bleiben. Eine vollständige Rückgabe der besetzten Gebiete werde es definitiv nicht geben.

Bush betonte am Mittwoch, die USA würden das Ergebnis eines endgültigen Friedensabkommens nicht vorwegnehmen. Gleichzeitig aber sprach er von „neuen Realitäten“, die berücksichtigt werden müssten, eine Rückkehr zur Waffenstillstandslinie von 1949 sei „unrealistisch“. Damit signalisierte er, dass die USA zum ersten Mal bereit sind, israelische Siedlungen für legal zu befinden. Bislang hieß es, die Siedlungen seien „ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden“. Mit dieser Einschätzung hat Bush nun radikal gebrochen.

Dahinter steht ein gewagtes Kalkül. Scharon hat den Mitgliedern der Likudpartei ein Referendum über seine Rückzugspläne versprochen. Teile der Siedlerbewegung laufen Sturm dagegen. Für sie ist die Räumung auch nur einer einzigen Siedlung gleichbedeutend mit Verrat. Nur eine ganz eindeutige Rückendeckung aus Washington, so glaubt man im Weißen Haus, könne Scharon helfen, die Abstimmung zu gewinnen. Ein kompletter Rückzug Israels aus dem Gazastreifen, falls er denn ein erster Schritt wäre, hätte tatsächlich das Prädikat „historisch und mutig“ verdient. In diesem Punkt hat Bush Recht.

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