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Politik: „Für die Kritiker habe ich kaum Verständnis“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Ringstorff zur Agenda 2010 und zur Zusammenarbeit mit der Union

Herr Ringstorff, die SPD hat der Agenda 2010 jüngst auf ihrem Parteitag mit 90 Prozent zugestimmt. Sind Sie erleichtert?

Sicherlich bin ich froh über dieses klare Votum. Das erleichtert natürlich die Arbeit des Bundeskanzlers und der Bundesregierung wesentlich. Eine knappere Zustimmung hätte leicht als mangelnder Rückhalt in der SPD für die Bundesregierung ausgelegt werden können.

Haben Sie Verständnis für die Kritiker?

Ich habe nach den Änderungen, die es gegeben hat, kaum Verständnis für die Kritiker. Auch sie müssen den Tatsachen ins Auge sehen: 62 Prozent des Bundeshaushaltes sind Sozialausgaben und Schuldendienst. Da bleibt kaum noch etwas übrig für Zukunftsprojekte. Bildung, Forschung und Entwicklung drohen auf der Strecke zu bleiben. Die Kritiker der Agenda 2010 müssen sich außerdem die Frage gefallen lassen, ob sie vor der Altersentwicklung unserer Gesellschaft die Augen verschließen wollen. In anderen Ländern, zum Beispiel in Schweden, wurden die Sozialsysteme reformiert – auch wenn dies für viele schmerzhaft war. Gerade in diesen Ländern haben die Sozialdemokraten einen guten Stand.

Sind die Interessen Ostdeutschlands in der Agenda ausreichend berücksichtigt worden?

Der Bundeskanzler hat bereits in seiner Regierungserklärung zugesagt, die strukturschwachen Gebiete besonders zu berücksichtigen. Das betrifft fast den ganzen Osten. Der öffentliche Beschäftigungssektor soll weiter gefördert werden. Es soll besondere Regelungen für ältere Arbeitnehmer geben, um sie würdevoll in die Rente zu schicken. Und es ist ein Programm für 100 000 Ausbildungsplätze angekündigt. Die meisten von ihnen wird es in den neuen Ländern geben, weil das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage hier am größten ist.

Und wenn die Agenda 2010 trotz allem scheitert?

Ich halte nichts von der Diskussion nach dem Motto: „Wenn der Pott aber nun ’n Loch hat“. Allerdings dürfen wir kurzfristig keine Wunderdinge erwarten. Zunächst ist es wichtig, dass die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen. Dann müssen sie nach und nach sinken. Wir wissen aber auch, der Teufel sitzt ja häufig im Detail des Gesetzgebungsverfahrens.

Macht die Opposition mit?

Ich erwarte, dass es erhebliche Probleme mit der Union geben wird. Ich glaube nicht an die öffentlich bekundete Unterstützung, sondern eher an eine Art SonthofenTaktik. Die christlichen Unionisten blinken zwar in Richtung Agenda, aber wollen sie auch in diese Richtung fahren? Sie werden der rot-grünen Regierung das Leben so schwer wie möglich machen. Womöglich wird aber der eine oder andere CDU-Ministerpräsident eine Blockade nicht mittragen – gedrängt von der normativen Kraft des Faktischen, wie leeren Kassen und Arbeitslosigkeit.

Was ist noch sozialdemokratisch an der SPD?

Sozialdemokratische Seele ist doch nicht gleichzusetzen mit Beharren auf dem Alten.

Müssten Sie nicht gegenüber Ihrem Koalitionspartner PDS die Muskeln spielen lassen, der so vehement gegen die Agenda 2010 wettert?

Von öffentlichen Muskelspielen halte ich nichts. Aber wir streiten durchaus über Sachthemen. Ich glaube, dass auch die PDS noch einsehen wird, dass bestimmte Reformen unumgänglich sind. Ein bisschen klingeln und an die „schönen alten Zeiten“ zu erinnern gehört bei der PDS nun einmal zum Geschäft. Man merkt natürlich auch, dass Teile der PDS durch die Führungskrise der Bundespartei orientierungslos und verunsichert sind.

Warum wird Ihr Umweltminister Wolfgang Methling eigentlich nicht PDS-Bundesvorsitzender? Wollten Sie ihn nicht ziehen lassen?

Was Herr Methling macht, das entscheidet er allein. Ich glaube, er hat vernünftige Schwerpunkte gesetzt, wenn er sagt, dass sein Platz primär in Schwerin ist.

Ministerpräsident Bernhard Vogel hat sich gerade aus der Politik in Thüringen zurückgezogen. Wäre er ein guter Bundespräsident?

Eigentlich könnte doch die CDU, anders als 1999, nun mit ihrer Fast-Mehrheit in der Bundesversammlung umsetzen, was sie vor vier Jahren gefordert hat: eine ostdeutsche Persönlichkeit und erstmals eine Frau im höchsten Staatsamt. Doch von der damals nominierten Thüringerin Dagmar Schipanski redet in der Union jetzt keiner mehr. Gehandelt werden praktisch nur Männer aus dem Westen. Offenbar war die Debatte damals unehrlich.

Bernhard Vogels Abgang in Thüringen war recht elegant. Wie wird in Mecklenburg-Vorpommern der Stabwechsel organisiert?

Ich werde darüber nachdenken, wenn ich etwa so alt bin wie Vogel oder Kurt Biedenkopf es bei ihrem Rücktritt waren. Mir fehlen noch über sechs Jahre bis zur 70. Aber man soll nicht unbedingt warten, bis man aus dem Amt herausgetragen werden muss.

Und danach?

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber Sie können mir glauben: Ich will weder Bundespräsident noch Papst werden.

Das Gespräch führten Andreas Frost und Matthias Meisner.

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