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Politik: Für die Macht verzichtet

Kindergärten, Unis, Gebietsreform – um in Schwerin mitzuregieren, muss die CDU viele Pläne aufgeben

Vor acht Jahren wollte der Schweriner Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) die PDS „entzaubern“ und holte sie in die bundesweit erste rot-rote Koalition. Obwohl die PDS sich seitdem immer mehr „realpolitischen“ Zwängen beugte und es noch genügend inhaltliche Übereinstimmung gab, haben die Sozialdemokraten am Freitagabend der CDU Koalitionsverhandlungen angeboten. Die Entzauberten reagierten enttäuscht. Der PDS-Landesvorsitzende der Linkspartei, Peter Ritter, sprach verbittert von der „Wahllüge“ der CDU, die viele Wahlaussagen bereits bei den Sondierungsgesprächen vergessen hätte, um wieder an die Macht zu kommen.

Ausschlaggebend war für die SPD, dass eine rot-rote Koalition im nächsten Landtag nur noch eine Stimme Mehrheit gehabt hätte. Für Ritter ein schwer nachzuvollziehendes Argument. Bis 1994 regierte eine genauso knappe CDU/FDP-Koalitionsmehrheit Mecklenburg- Vorpommern. Auf dem PDS-Landesparteitag vor einer Woche hatte sich allerdings eine regierungskritische „Antikapitalistische Linke“ präsentiert, der auch drei Landtagsabgeordnete angehören. Für Ringstorff und seine Parteifreunde war das offenbar Warnsignal genug. Außerdem, so besagen Gerüchte, sollen einzelne PDS-Politiker für ihre Zustimmung zum rot-roten Weiterregieren Posten gefordert haben, was Ringstorff sehr verärgert habe.

Der Machtverlust in Schwerin wird es der PDS einfacher machen, ihr oppositionelles Profil zu schärfen, wie es Gerhard Bartels von der „Antikapitalistischen Linken“ gefordert hat. Ob sich damit verlorene Protestwähler zurückgewinnen lassen, wird die PDS erst in fünf Jahren erfahren. Ringstorff zufolge machte die CDU in den Sondierungsgesprächen zahlreiche Zugeständnisse. Die von der Union im Wahlkampf angefeindete Kreisgebietsreform soll kommen, falls das Verfassungsgericht sie nicht stoppt. Kostenfreie Kindergärten, der wichtigste Wahlkampfschlager der CDU, werde es „nicht geben“, so Ringstorff. Auch die rot-rote Schul- und Hochschulreform werden laut Ringstorff nicht angetastet. Voraussichtlich werden dafür die Wirtschaftsförderung auf den Mittelstand konzentriert, der Umweltschutz und die Windkraftnutzung eingeschränkt und der Gentechnik in der Landwirtschaft der Weg geebnet.

Unterdessen beginnen in Schwerin die Personalspekulationen. Die SPD hat es besonders schwer. Zwar wird Ringstorff voraussichtlich fünf Jahre lang Ministerpräsident bleiben, weil in der SPD kein Kronprinz in Sicht ist. Der einst als Nachfolger gehandelte Parteichef Till Backhaus ist bei den Genossen nicht mehrheitsfähig, hat aber ob eines guten Ergebnisses im Wahlkreis Chancen, Agrarminister zu bleiben. Wirtschaftsminister Otto Ebnet und Finanzministerin Sigrid Keler, beide über sechzig, sträuben sich bisher, Jüngeren Platz zu machen. So haben Justizminister Erwin Sellering und der parteilose Bildungsminister Hans-Robert Metelmann im Augenblick die schlechtesten Karten. Die Union hingegen wird wohl Spitzenkandidat Jürgen Seidel zum Wirtschaftsminister vorschlagen. Das war er bereits in der großen Koalition vor 1998. Ob aber für Ex-Bundesfamilienministerin Claudia Nolte, die in Seidels Wahlkampf-Kompetenzteam saß, ein Ministerium in Schwerin abfällt, wird erst Anfang November feststehen.

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