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Politik: „Für einen Notstand ist hier kein Raum“

Politiker und Juristen greifen den Frankfurter Polizei-Vize Daschner wegen seiner Folterdrohung scharf an

Berlin (Tsp). Die Kritik am Vorgehen der Frankfurter Polizei im Mordfall Jakob von Metzler nimmt zu. Politiker und Juristen lehnten es am Wochenende ab, der Polizei einen Notstand zuzugestehen, der die Folter des Verdächtigen Magnus G. zugelassen hätte. „Folter ist nach meiner Auffassung unter keinen Umständen gerechtfertigt – auch nicht, wenn man sie gezielte Schmerzzufügung nennt“, sagte der SPDInnenexperte Rüdiger Veit dem Tagesspiegel. „Für einen Notstand ist hier kein Raum“. Veit widersprach damit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), die zwar das Verbot der Folter unterstrichen, es jedoch im Frankfurter Fall nicht ausgeschlossen hatte, dass es sich um einen „rechtfertigenden Notstand“ gehandelt haben könnte (siehe Kasten).

Schon die Androhung der Folter, um von dem verdächtigen Jurastudenten den Aufenthaltsort des Jungen zu erfahren und diesen möglicherweise vor dem Tod zu retten, sei „eindeutig rechtswidrig“, sagte dagegen auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Auch das Mitglied des Nationalen Ethikrates, der Berliner Philosophieprofessor Volker Gerhardt, und der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, hielten die Maßnahme des stellvertretenden Vorsitzenden der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, für juristisch nicht erlaubt. Der frühere FDP-Bundesinnenminister Baum forderte, Daschner müsse angeklagt werden. „Das ist Mittelalter“, sagte er. Vielleicht könnten ihm mildernde Umstände angerechnet werden. Gegen Daschner ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Aussageerpressung.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte im „Spiegel“: „Es gibt kein Halten mehr, wenn wir da wackeln. Wenn wir diese Dinge der Güterabwägung unterwerfen, landen wir auch wieder bei der Todesstrafe.“ Daschner selbst bestritt im Interview mit dem „Spiegel“, Magnus G. überhaupt nach den förmlichen Regeln der Strafprozessordnung verhört zu haben. „Meine ausdrückliche Weisung war: Keine Befragung im strafprozessualen Sinne. Keine Fragen nach Täterschaft, Teilnahme und so weiter. Die einzige Frage, die gestellt werden musste und auch gestellt werden durfte, war: Wo ist das Kind?“ Hätte er „die Hände in den Schoß gelegt“, würde er „den Fall als unterlassene Hilfeleistung einstufen, wenn nicht sogar als Tötung durch Unterlassen“.

Daschner sagte zudem „Focus“: „Ich würde es heute wieder so machen.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass er wegen seines Vorgehens angeklagt würde. „Mein Verhalten ist sowohl durch die polizeiliche Gefahrenabwehr als auch durch den akuten Notstand rechtlich abgedeckt.“ Er habe die Entscheidung allein getroffen und noch am selben Tag für die Staatsanwaltschaft eine Aktennotiz verfasst. Den zuständigen Staatsanwalt Rainer Schilling habe er sogleich in Anwesenheit eines Zeugen informiert, sagte er dem „Spiegel“. „Man musste von akuter Lebensgefahr ausgehen. Wir durften keine Zeit mehr verlieren.“ Dem „Focus“ sagte Daschner, eine „Zwangsanwendung“ wäre auf Film und Tonband festhalten worden, um sich rechtlich abzusichern. „Es gab keinen Gedanken an Elektroschocks. Es war ausdrücklich untersagt, ihn zu verletzen.“

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