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Für ihren Geschmack: Die Jungen drängen in die Führung der FDP

Eine Generation junger Politiker drängt in die Führung der FDP. Was wollen die Röslers und Lindners verändern?

Vereinfacht ausgedrückt wollen die Jungen keinen radikalen inhaltlichen Kurswechsel, sondern einen radikalen Stilbruch. Diese FDP-Generation findet: Politische Inhalte lassen sich nicht mehr nur auf dem Marktplatz verkaufen und schon gar nicht mit der gnadenlosen Rhetorik und dem Habitus eines Besserwissers. Wer ist wohl gemeint?

Der radikale Stilbruch besteht zunächst einmal in einer demonstrativen Zurückgenommenheit, wie sie in erster Linie der zukünftige Parteichef Philipp Rösler verkörpert. Neuer Stil gleich neue Glaubwürdigkeit – so lautet eine Hoffnung der neuen Machtstrategen. Beispielsweise auch, um sich neue Koalitionsoptionen zu erschließen. Gemeinsam mit Christian Lindner und seinem Staatssekretär im Gesundheitsministerium Daniel Bahr hat Rösler immer wieder weiche Begriffe in den Diskurs eingeführt: Sie sprachen von „anderer Tonalität“, „authentischer Herzenswärme“, „Sympathie“ oder „Bescheidenheit“. Am Montag betonte Lindner, dass man die Partei künftig „im Team“ führen wolle. Alle Begriffe machen aber deutlich, wie theoretisch die geforderten Veränderungen zunächst einmal sind.

Für die jungen Liberalen sind diese Tugenden zwingend, wolle die Partei eine Chance haben, ihre radikalen Inhalte umzusetzen. Die inhaltliche Ausrichtung unterscheidet sich im Prinzip nur geringfügig von der Westerwelle-Partei. Während Westerwelle immer auf das vermeintlich Machbare – Steuersenkungen – schielte und damit nur auf einen Teil der potenziellen Wähler, haben Lindner und Rösler weiterhin ein grundlegend anderes Sozialsystem vor Augen. Es geht ihnen immer noch um „Chancengleichheit statt Verteilungsgerechtigkeit“ (Rösler), Lindner spricht hier von „Fairness“ und will unter diesem Begriff ausdrücklich „Paradigmen von Bedürfnis und Gleichheit“ aufnehmen. Daraus folgt für beide immer noch der Bruch mit den bisherigen Systemen der Sozialversicherung.

Nach wie vor findet auch Rösler, dass der Vermögensausgleich nicht innerhalb der Sozialversicherung stattfinden, sondern über das Steuersystem geregelt werden sollte. In der Gesundheitspolitik hat Rösler immerhin den Einstieg geschafft: Alle Kostensteigerungen im Gesundheitswesen werden künftig nicht mehr über Beitragserhöhungen, sondern über pauschale Zusatzbeiträge finanziert.

Trotzdem klaffen Anspruch und politische Realität bei Rösler/Lindner oft auseinander. Am Montag sagte Lindner: „Wir werden sicherlich neue Schlüsselprojekte finden.“ Bei der seit Jahren geforderten Themenerweiterung werden immer auch Bildung und Bürgerrechte genannt. Der Arbeitsmarktexperte der FDP im Bundestag, Johannes Vogel, sagt: „Aufstiegschancen, Integration, Bürgerrechte und wirtschaftliche Vernunft müssen künftig gemeinsam zu unseren Kernthemen gehören.“ Bisher habe man eine zu „eindimensionale und nur auf die Union fixierte Politik“ gemacht.

Aber selbst aus dem engsten Umfeld der jungen Garde gibt es warnende Stimmen. Sie wollen nicht, dass die Partei zu sehr in Richtung Rot-Grün schwenkt und sich auch noch schwerpunktmäßig mit Sozialpolitik beschäftigt. Wie auch immer diese künftige Politik aussieht, erst einmal muss die junge Truppe innerparteilich zeigen, dass ihr Netzwerk hält. Zum Netzwerk gehören neben Lindner, Rösler und Bahr der ehemalige Juli-Chef Johannes Vogel. Er organisiert mit dem noch jüngeren Florian Toncar die Junge Gruppe in der FDP-Fraktion. Toncar, Jurist und Haushaltsexperte aus Baden-Württemberg, wurde schon vor Jahren von Ex-Generalsekretär Niebel als eines der „herausragenden FDP-Talente“ bezeichnet.

Aber auch einflussreiche Abgeordnete über 40 gehören ins Netzwerk: etwa Wirtschafts- und Haushaltsexperte Otto Fricke, Finanzfachmann Volker Wissing oder Bürgerrechtsexperte Marco Buschmann. Von den Altliberalen unterstützt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Jungen. Fraktionschefin Birgit Homburger, heißt es, werde sich arrangieren. Und ansonsten stehen vor allem die starken von Bahr und Rösler geführten Landesverbände NRW und Niedersachsen hinter dem neuen Führungsteam.

Bis zum Parteitag im Mai werden Rösler und Lindner an den versprochenen neuen Inhalten arbeiten müssen. Wie schrieb Rösler in einem Thesenpapier 2008: „Die liberale Agenda braucht wieder eine übergreifende Vision, wenn sie gehört werden will. Und sie braucht wieder eine Verankerung in den Milieus der Bürgergesellschaft. Nicht das laute Darstellen der FDP in der Öffentlichkeit, sondern das Wirken mit Kompetenz und Substanz muss wieder zu den Grundeigenschaften liberaler Politik gehören.“

Rösler will auch die Milieus der Grünen in den Städten zurückerobern. Hier liegt seine selbst gelegte Messlatte praktischer Politik.

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