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Für künftige finanzielle Spielräume: Wenn Experten die Schätze schätzen

Von Dienstag an tritt der Arbeitskreis Steuerschätzung zusammen, um die zu erwartenden finanziellen Spielräume für künftige Aufgaben abzustecken. Was wird da geschätzt – und was sind die Ergebnisse wert?

Von Antje Sirleschtov

Jedes Jahr im Mai und im November das gleiche Ritual: Für drei Tage treffen sich Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen und Wissenschaftsexperten zur Schätzung der Steuereinnahmen. Sie tun das, um der Politik eine Grundlage zur Planung ihrer Etats für die nächsten Jahre zu geben. Mit dem Wissen um die Menge des Geldes, das die Haushaltsplaner erwarten dürfen, können sie den Umfang von Pflichtausgaben (zum Beispiel Sozialausgaben) abgleichen, und sie können ermessen, wie viel Geld für Investitionen übrig bleiben könnte.

Die Basis der Steuerschätzung ist ebenfalls eine Prognose: die des Wirtschaftswachstums. Sagen dafür die Experten Positives voraus, können mehr Einnahmen erwartet werden, anderenfalls müssen die Politiker ihre Etatannahmen kürzen oder mehr Schulden aufnehmen, um ihre Pläne bezahlen zu können.

Wie in jedem Jahr hat der Bundesfinanzminister auch in diesem Frühjahr auf der Basis der Steuerschätzung im Mai seinen Etatentwurf für den Bund für 2014 im Bundestag vorgelegt. Nun muss diese Planung mit den Schätzergebnissen der Steuerschätzung in der kommenden Woche abgeglichen werden. Ab Dienstag sitzen die Schätzer in Bremerhaven zusammen, am Donnerstag geben sie ihre Prognose bekannt. Noch vor Ablauf des Jahres kann dann der neue Bundestag den Etat 2014 verabschieden.

Besondere Bedeutung hat das Schätzergebnis diesmal aber für die laufenden Koalitionsverhandlungen. Denn nach der Veröffentlichung der Werte werden SPD und Union wissen, in welchem Umfang ihnen künftig Geld für Investitionen, etwa in Bildung und Infrastruktur, aber auch für die Bekämpfung der Altersarmut und die Einführung der Mütterrente zur Verfügung steht.

Im Interview mit dem „Tagesspiegel am Sonntag“ hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Teilnehmer der Verhandlungskommission schon mal vorsorglich davor gewarnt, mit zu großen Hoffnungen in die Koalitionsgespräche zu kommen. „Die Steuereinnahmen sprudeln nicht“, sagte Schäuble und legte seinen Kurs für die Haushaltspolitik der großen Koalition fest: Keine neuen Schulden und keine Steuererhöhungen. Mithin: Schäuble will mit dem Geld auskommen, das zur Verfügung steht. Für 2014 strebt der Minister eine „strukturelle Null“ an, was so viel heißt, wie kaum neue Schulden zur Finanzierung des Etats aufzunehmen. Ab 2015 dann soll das Neu-Schuldenmachen beim Bund ein Ende haben. Was natürlich nicht bedeutet, dass die „alten“ Schulden auf einmal verschwunden sind. Für sie muss der Bund jedes Jahr sehr hohe Zinsen zahlen, getilgt (also das, was jeder Häuslebauer tut) wird überhaupt nicht, so dass sich der Schuldenstand vorerst nicht verringert.

Vorige Woche hatte der noch amtierende Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bekannt gegeben, dass die Ökonomen seines Hauses mit einem leichten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im nächsten Jahr rechnen. Statt 1,6 Prozent sagen sie 1,7 Prozent Wachstum voraus und eine gleichbleibend hohe Beschäftigung.

Für die Steuerschätzer, die in den vergangenen Jahren oft spektakuläre Zusatzeinnahmen in Aussicht stellten, ist damit die Botschaft klar: Die Einnahmen werden zwar nicht zurückgehen, aber Grund zum Jubeln gibt es auch nicht. Schon vergangene Woche war zu hören, dass die Einnahmeerwartungen im Vergleich zur Mai-Schätzung für dieses Jahr um 5 Milliarden Euro zulegen könnten. Mittelfristig ist mit ein bis drei Milliarden Euro pro Jahr mehr zu rechnen. Etwa die Hälfte entfällt auf den Bund.

Die Steuerschätzer können sich natürlich auch mal irren. Krisen oder unvorhergesehene Einbrüche auf Exportmärkten können das Wachstumsklima innerhalb weniger Monate eintrüben. Dann kann es passieren, dass die Schätzer ihre Erwartungen plötzlich nach unten korrigieren und die Politiker ihre vorher aufgestellten Pläne einkürzen müssen. Dann, wenn man nicht die Schulden erhöhen will, heißt es sparen, und der Finanzminister hat den unbeliebtesten Job im Kabinett.

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