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Politik: "Für Schweigekreise habe ich noch nie getaugt"

Es ist mitnichten nur der Sicherheitsaspekt, dass sich Joschka Fischer in einer Limousine chauffieren lässt, statt die U-Bahn zu nehmen. Sagt er jedenfalls.

Es ist mitnichten nur der Sicherheitsaspekt, dass sich Joschka Fischer in einer Limousine chauffieren lässt, statt die U-Bahn zu nehmen. Sagt er jedenfalls. "Würde ich öffentliche Verkehrsmittel benutzen, käme ich aus dem Diskutieren nicht mehr heraus", begründet der Außenminister seinen Hang zum Individualverkehr. Zum Diskutieren, zum Bilanzieren nach gut einem Jahr Rot-Grün kam Fischer auf Einladung der Berliner Spitzenkandidatin Renate Künast mit Vertretern des frühen Grünen-Grundstocks, mit Umwelt- und Menschenrechtsgruppen in Tiergarten zusammen. Auch ein Wahlkampf-Freundschaftsdienst. Künast ist Fischers Favoritin für das Amt der nächsten Bundesvorstandssprecherin. Knappe 90 Ministerminuten standen zur Verfügung.

Generalbilanz. Ein wenig ist Fischer ob all der bitterbösen Kritik, die Politik der Regierung werde durch ein "soziales Defizit" geprägt, "verbittert". Rot-Grün trage so schwer an der übernommenen Erblast, und die Handlungsfähigkeit müsse doch wieder hergestellt werden. Ja, man hätte gleich zu Beginn eine "Eröffnungsbilanz" erstellen sollen, dann würden all die Entscheidungen viel besser verstanden. Hat man aber nicht. So blase nun der Wind sehr hart ins Gesicht, obwohl die Bilanz nach einem Jahr viel besser ausfalle. Die Asyl- und Migrantenpolitik sei eine Schwachstelle der Grünen, hier habe die Partei nicht viel erreichen können. Und er, der Vordenker, habe wohl im Zuge des Kosovo-Krieges auch etwas an Bodenhaftung verloren, muss sich Fischer vorhalten lassen.

"Ja, beim Staatsbürgerschaftsrecht haben wir schmerzliche Niederlagen einstecken müssen", gesteht er. Für Veränderungen bedarf es Mehrheiten, die hätten die Grünen nun einmal nicht gehabt. Bodenhaftung? Die habe er natürlich nicht verloren. "Aber es wäre doch auch schade, wenn bei den Grünen nur Pazifisten herumliefen. Ich tauge einfach nicht für Schweigekreise, noch nie habe ich das getan", sagt Fischer und plädiert in Serbien für eine "Wahrheitskommission mit einem serbischen Mandela" an der Spitze. Der sei leider nicht in Sicht. Europa brauche eine gemeinsame Migrationspolitik, die Türkei europäische Perspektiven, und bei Iran fielen einfache Antworten ohnehin schwer, sehr schwer. Fischer fällt es nicht leicht, dem Außenminister eine kurze Diskussionpause zu gönnen. Der könnte hier stundenlang zur Weltlage sprechen.

Die Anwesenden vom BUND wollen eine Positionsbestimmung zu Atom, Transrapid und dem Ausbau der Schifffahrtswege. Die Restlaufzeit bleibe das Problem, die Grundsatzentscheidung, der Konsens mit der Stromwirtschaft müsse her. Und doch will Fischer nicht um die Jahre pokern. Alternative Energie, um die müsse man sich kümmern. Gibt es keine Einigung, keinen Konsens, dann gibt es ein eben ein Gesetz. Transrapid. Das Geld ist einfach nicht da, für den zweispurigen Ausbau erst recht nicht, auch nicht für eine Spur. "Einspurig mit 500 Sachen in die Haltebucht herunterbremsen!" So ein Blödsinn. "Das rechnet sich doch alles nicht." Außerdem gehörten viel mehr Güter auf die Bahn. Doch das sei "leider noch viel zu teuer". Beim Thema Schifffahrt bleibt er stumm, ist "einfach überfragt". Nach 90 Minuten ist plötzlich alles vorbei. Fischer muss zurück in den Bundestag und reden. Ost-Timor-Debatte. Trotzdem schön, dass man mal über alles gesprochen hat nach einem Jahr Rot-Grün.

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