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Politik: Füttere deine Feinde

Labour-Chef Miliband fördert ärgsten Konkurrenten

Nach wenigen wackeligen Amtsmonaten, die von Kritik in den Medien und der eigenen Partei begleitet waren, wechselte der britische Labour-Chef Ed Miliband seine Spitzenmannschaft aus und beförderte Ed Balls, seinen gefährlichsten Rivalen seit dem Abgang seines Bruders David, zum neuen Schatzkanzler. Ob es ein Akt der Stärke oder der Schwäche war, muss sich erst noch zeigen. „Balls wird die Tories auf die Hörner nehmen. Aber für Labour ist es ein riesiges Wagnis“, kommentierte das frühere Labour-Präsidiumsmitglied Mark Seddon.

Das Wagnis ist doppelt: Balls war jahrelang der engste Vertraute von Gordon Brown und hat Labours heute scharf kritisiertes Wirtschaftskonzept hoher Staatsausgaben mitverantwortet – das macht ihn, bei all seiner Kompetenz, zur leichten Zielscheibe für die Tories. „Kaum zu fassen, dass Balls Schattenschatzkanzler wird, ausgerechnet der Mann, der für Großbritanniens wirtschaftlichen Schlamassel verantwortlich ist. Die Labour Party hat nichts gelernt. Sie wird wieder von Gordon Browns altem Team geführt“, behauptete der Tory-Parlamentarier Michael Fallon.

Balls war nicht nur ein Entscheider in der Wirtschaftspolitik. Er führte im Auftrag Browns auch die Intrigen und Attacken gegen Tony Blair. Er ist ein politischer Faustkämpfer, der das Zeug hat, Miliband eines Tages in den Rücken zu fallen. Seine Frau Yvette Cooper, Mutter von Balls drei Kindern, wurde zur Innenministerin befördert: Nun sitzt Labours „Power-Paar“ an den wichtigsten Schalthebeln der Labour-Politik.

Der Grund für die Personaländerungen war persönlich: Schattenschatzkanzler Alan Johnson nahm seinen Abschied, weil seine Frau eine Affäre mit seinem Leibwächter hatte. Aber die Zeitungen, wird geflüstert, hätten die Details von Balls erhalten. Seine Chance kam wohl nicht wegen des Seitensprungs, sondern weil Johnson mit dem Job nicht besonders gut zurechtkam.

Viele rätseln immer noch, wohin Ed Miliband die Partei führen will. Bevor er mit den Stimmen der Gewerkschaften zum Parteichef gewählt wurde, galt er als „Red Ed“. Seither schielt er wieder auf die Mitte. Manchen Labour-Hinterbänklern war der Wackelkurs so unheimlich, dass sie schon von einem Personalwechsel sprachen, wenn sich Labours Umfrageergebnisse nicht erholen.

Kern der Richtungsdiskussion ist die Bewertung der bisherigen Labour-Politik: War sie richtig, um Großbritanniens Sozialstrukturen zu verbessern und die Konjunktur zu stützen, immer mehr Geld zu borgen? Miliband gab in einer Rede zu, dass Labour Fehler machte. Aber nicht viele. Man hätte eben früher erkennen müssen, dass Großbritanniens Haushaltsdefizit zu hoch geworden war. Balls hatte bis vor wenigen Wochen noch das Gegenteil behauptet und die Sparpolitik der Tories als riskant, sozial schädlich und wirtschaftlich zu riskant kritisiert.

Nun will sich Balls auf Punkt und Komma an die von Parteichef Miliband eingeschlagene neue Linie halten. Doch das neue Einvernehmen überzeugt nicht. Als Folge von Steuererhöhungen und Sparen schwächelt das Wachstum. Die Versuchung für Balls, der Labour-Partei seinen Stempel aufzudrücken, könnte zu groß werden.

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