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Politik: Funkt Brüssel dazwischen?

Sollte Berlusconis Mediengesetz vom Präsidenten unterzeichnet werden, wollen die Gegner die EU einschalten

Ganz Italien schaut jetzt auf den Staatspräsidenten. Wird Carlo Azeglio Ciampi das am Dienstagabend im Senat, der zweiten Kammer des italienischen Parlaments, angenommene neue Mediengesetz unterzeichnen? Eine Frage, die viele Italiener beschäftigt. Ciampi hat 30 Tage Zeit sich Gedanken zu einem Gesetz zu machen, das nach dem Kommunikationsminister „Legge Gasparri“ genannt wird, das viele Bürger aber einfach nur „Legge Berlusconi“ nennen. Die wichtigsten Punkte dieses Gesetzes scheinen so eindeutig auf den amtierenden Regierungschef und Medienunternehmer zugeschnitten zu sein, dass die Gegner des Gesetzes den Inhalt der neuen Bestimmungen als verfassungswidrig bezeichnen.

Guido Rossi, Vater der staatlichen Antitrustbehörde und derzeit Berater der EU-Kommission für die Reform des Gesellschaftsrechts, bezeichnet das neue Mediengesetz in einem Interview in „La Repubblica” als einen „Missbrauch jener, die derzeit regieren“. Rossi ist davon überzeugt, dass sich die EU-Kommission in Brüssel des Gesetzes annehmen müsse, denn „der Medienpluralismus ist in Italien in Gefahr“. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ist ein Gegner Berlusconis.

Auch die Antitrustbehörde, so Rossi, hat in Sachen Unterschrift durch den Staatspräsidenten ein Mitspracherecht. Ciampi muss das Urteil dieser Behörde bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen. Aufgabe dieser Kartellbehörde ist es, zu prüfen, ob eine Regierung Entscheidungen trifft, von denen der Regierungschef oder einzelne Regierungsmitglieder profitieren. Für den auch im Ausland bekannten Regisseur Nanni Moretti, einen der Gründer der linken Bürgerbewegung „Girotondi“, ist es unübersehbar, „dass Silvio Berlusconi und seine Unternehmen von diesem Gesetz profitieren“, gibt es dem Regierungschef doch „die Möglichkeit, sein Medienimperium auszubauen“.

Seit Dienstag gibt es in verschiedenen italienischen Städten Demonstrationen der „Girotondi“. Am Mittwoch wurde Kommunikationsminister Maurizio Gasparri in Bologna von Demonstranten daran gehindert, ein Gebäude zu verlassen. Nur mit Hilfe der Polizei konnte der Minister schließlich seinen Wagen erreichen. Hunderte von Menschen haben in Turin vor der Niederlassung des staatlichen Senders Rai für die Freiheit der Medien demonstriert. Ähnliche Demonstrationen gab es auch in Mailand und in Rom.

Gut informierten Kreisen zufolge will Staatspräsident Ciampi das neue Mediengesetz unterzeichnen, voraussichtlich aber erst am Ende der ihm zustehenden Frist. Diese Frist beträgt 30 Tage, von Dienstag an gerechnet. Sie endet somit mit dem Silvestertag, dem letzten Tag, an dem Italien die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Sollte Ciampi das Gesetz unterschreiben, droht Rai-Präsidentin Lucia Annunziata mit ihrem sofortigen Rücktritt. Auch einige Mitglieder des Rai-Verwaltungsrats wollen es ihr gleichtun.

Die oppositionellen Linksdemokraten drohen bereits damit, sich nach der wahrscheinlichen Unterschrift unter das Gesetz an die EU-Kommission in Brüssel sowie an den italienischen Verfassungsgerichtshof zu wenden. Auch sie berufen sich auf die präzisen Vorschriften der Kartellbehörde, die jeden möglichen Interessenkonflikt zwischen einem Regierungspolitiker und seinen Unternehmen verhindern sollen.

Sollte Ciampi sich wider Erwarten jedoch weigern, das Gesetz zu unterzeichnen, wird mit einer Regierungskrise gerechnet. Nicht auszuschließen ist, dass christdemokratische und liberale Politiker der Mitte-Rechts-Koalition diese Entscheidung zum Anlass nehmen könnten, um ihre bisher nur hinter vorgehaltener Hand vorgetragene Kritik am Regierungsstil von Berlusconi auch laut zu äußern. Seit Wochen pfeifen es die Spatzen von Roms Dächern, dass innerhalb der Regierungskoalition bereits über einen Nachfolger für Berlusconi diskutiert wird.

Thomas Migge[Rom]

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