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Das portugiesische Nationalteam wird in Lissabon empfangen.

© dpa

Fußball-EM und Sparpolitik: Portugal bekommt ein Stück Stolz zurück

Der EM-Titel für Portugal verhilft der Nation in Südeuropa zu neuem Stolz – auch im Kampf gegen EU-Sparpläne. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralph Schulze

In der Nacht zum Montag weinten die Portugiesen vor Glück. Der Gewinn der Fußball-Europameisterschaft ist für sie mehr als ein historischer Sieg im wichtigsten europäischen Fußballwettbewerb. Der Triumph, der erste bei einer EM oder WM überhaupt, gibt dem portugiesischen Volk ein Stück Stolz zurück.

Denn die Portugiesen hatten in der Vergangenheit wenig zu feiern. Ihr schönes Seefahrerreich am Atlantik, in dem Millionen Europäer jedes Jahr Urlaub machen, gilt seit Langem als eines der Armenhäuser der Europäischen Union. Die tiefe Schulden- und Wirtschaftskrise hat in den vergangenen zehn Jahren die soziale Not verschlimmert und trieb viele Familien auch aus der Mittelschicht in die Armut.

Spätestens seitdem das Land in die Staatspleite rutschte und 2011 vom Euro-Rettungsschirm aufgefangen werden musste, ist das portugiesische Selbstbewusstsein ziemlich angeknackst. Denn nach der Rettung mit einem Notkredit von 78 Milliarden Euro musste das südeuropäische EU-Land zunehmend nach der Pfeife der Gläubiger-Troika tanzen. Und diese verordnete den zehn Millionen Portugiesen ein schwer verdauliches Rezept: den Gürtel bis zur Schmerzgrenze enger zu schnallen.

Die Bevölkerung steht hinter der sozialistischen Regierung

Die Sparwut ging so weit, dass die eigentlich sehr geduldigen Portugiesen in vielen Städten in Massen auf die Straße gingen und riefen: „Wir können nicht mehr.“ Das Wasser stand da vielen schon bis zum Hals. Hunderttausende junge Portugiesen packten die Koffer und suchten im Ausland Arbeit und eine würdige Existenz.

2015 schickten die portugiesischen Wähler die konservative Regierung in die Wüste, welche im Auftrag der Troika die Sparaxt ohne Rücksicht auf soziale Verluste angesetzt hatte. Nun regieren die Sozialisten, lockern die Sparschraube und rebellieren Schulter an Schulter mit den anderen südeuropäischen Krisenländern gegen die Brüsseler Austeritätspolitik.

Die portugiesische Rebellion dürfte demnächst noch vernehmbarer werden. Der EM-Titel gibt dem vergleichsweise kleinen Volk das schon fast vergessene Gefühl zurück, eine große und souveräne Nation zu sein, die sich nicht noch mehr bevormunden lassen will. Die Drohung der EU-Kommission, Portugal für mangelnde Spardisziplin mit harten Sanktionen zu bestrafen, war bislang sowieso eher kontraproduktiv: Die Portugiesen stehen geschlossen wie nie hinter ihrer Regierung und feuern sie lautstark an, gegen neue Attacken aus Brüssel zu kämpfen.

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