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CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

© dpa

"Fußballspielender Senegalese": Scheuers wirkungsvoller Psycho-Trick

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling erklärt den Psycho-Trick - das Framing -, mit dem CSU Generalsekretär Andreas Scheuer die Debatte nach rechts verschiebt.

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling von der Universität Berkeley hält die effektvolle Inszenierung des CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer für eine „gut gemachte Strategie, um den politischen Diskurs weiter nach rechts zu rücken. Scheuer hatte mit seinem Satz – „das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier – als Wirtschaftsflüchtling. Den kriegen wir nie wieder los“ – große Empörung verursacht.

Scheuer hatte seine Äußerung im Regensburger Presseclub mit den Worten angekündigt: „Bitte entschuldigen Sie diese Sprache.“ Damit, sagt Wehling, habe er auf der Meta-Ebene bereits mitgeteilt, dass er etwas besonders Provokantes sagen werde, „und dann sagt er es auch“. Die Reaktion vom linkspolitischen Flügel wie auch aus den Kirchen beschreibt Wehling als Äußerungen, die der „neurokognitiven Aufklärung“ hinterherhinken. Da habe sich die Öffentlichkeit in der „Frame-Negierung verheddert“, ein typisches Problem in Diskursen, die nicht genügend über die Auswirkung von Sprache auf das Denken aufgeklärt sind.

Was sie damit meint, ist einfach zu verstehen: Aus der Hirnforschung weiß Wehling, dass das Gehirn gleich reagiert, egal ob eine Aussage oder ihre Verneinung aufgenommen wird. Wenn die Hirnströme gemessen werden, leuchtet das gleiche Hirnareal auf, egal ob der Satz lautet: „Das Boot ist voll.“ Oder ob er lautet: „Das Boot ist nicht voll.“ Das beschreibt die Linguistin als „Frame-Negierung“. Das Sprachbild, das Scheuer verwendet hat, hat einen Frame, einen politischen Rahmen, gesetzt, und durch die Ablehung dieser Äußerung bleibt das ursprüngliche Zitat am Ende bei allen hängen.

Wie der Mechanismus funktioniert

Ob Andreas Scheuer bewusst auf faschistische Sprachbilder und Assoziationen gesetzt hat, weiß nur er selbst. Aber seine Sprache erlaubt mehrere Bilder und Assoziationsketten, die aus dem rechtspopulären und faschistischen Sprachgebrauch bekannt sind, sagt Wehling. Der Flüchtling als schwarzer Mann, nicht als Frau oder Kind – „der Senegalese“ –, der „Fußball spielt“ und sich als Ministrant in der katholischen Kirche engagiert, wird zur Bedrohung stilisiert. Er ist nicht nur „fremd“, sondern passt sich an die Kultur in Deutschland und Bayern an. Für psychologisch strenge, rechtskonservative Menschen ist das ein unschlagbares Bedrohungsszenario: der Flüchtling „schleust sich ins System ein, wird Teil des Systems, erweitert und verändert die geliebte, kleine und homogene Ingroup“.

Vor der Sommerpause hatte der AfD-Politiker Alexander Gauland den schwarzen Fußballspieler Jerome Boateng in ähnlicher Weise angegangen. Auch diese Debatte ruft Scheuer ob bewusst oder unbewusst nun wieder auf. Außerdem sind in Bayern – und überall in Deutschland – vermehrt afrikanische Priester in den Kirchengemeinden aktiv, und damit ist "das Fremde gar in unser abendländisches, christliches Glaubenssystem eingebunden". Auch diese Assoziation wird in Gang gesetzt. „Die kriegen wir nie wieder los“, sagte Scheuer.

Wehling beschreibt den Mechanismus dieser Kommunikationsstrategie so: „Der politische Diskussionsrahmen wird weiter nach rechts verschoben – und das ist nicht mehr zurückzuholen.“ Sie hat diese Strategie an der Kampagne des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump beobachtet. Trumps Dauerfeuer an Äußerungen, „die vor kurzem noch im politischen Abseits waren“, führe dazu, dass der gesamte politische Diskurs nach rechts verschoben werde.

Das Ergebnis in der deutschen Debatte nach einem Jahr „Flüchtlings-Diskurs“ sei, dass inzwischen zunehmend jegliche Empathie für das Erleben der Menschen fehle. Die Diskussion werde immer aggressiver und entmenschlichter, hat Wehling beobachtet, nicht zuletzt durch Sprachbilder, die Flüchtlinge als Wassermassen entmenschlichten.

Es gibt auch Kritik aus der CSU: „Wir müssen Obacht geben, dass wir, wenn wir konservative Wähler wollen, nicht die kirchlichen Wähler verprellen“, sagte der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel der „Augsburger Allgemeinen“.

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