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G-20-Gipfel: Europa sucht nach einer Stimme

Beim G-20-Gipfel am Wochenende in Toronto wird darum gerungen werden, welche Konsequenzen aus der Finanzkrise gezogen werden. Denn darüber gibt es noch keinen Konsens. Wie geeint ist Europa dabei?

In den Augen der Europäer gehört die Regulierung der Finanzmärkte auf der Tagesordnung des G-20-Treffens in Toronto an diesem Wochenende ganz nach oben. Doch das sehen längst nicht alle Gipfelteilnehmer so. Deshalb wird allgemein nicht erwartet, dass das Treffen einen Durchbruch bei den zwei Themen bringt, für die die Europäer werben: eine Bankenabgabe und eine Steuer auf Finanztransaktionen. Erschwerend kommt für Kanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Vertreter in Toronto hinzu, dass es auch in den europäischen Staaten ganz unterschiedliche Haltungen dazu gibt.

Vor allem in Großbritannien fehlt die Unterstützung für eine Steuer, die auf alle spekulativen Finanzgeschäfte erhoben werden soll. Zwar fasste der EU-Gipfel in der vergangenen Woche den Beschluss, dass eine Finanztransaktionssteuer „erkundet und entwickelt“ werden soll – eine Haltung, zu der sich auch der neue britische Premier David Cameron verpflichtet hat. Wenn es in Europa zum Schwur kommt, wird Großbritannien mit Rücksicht auf den Londoner Finanzplatz aber kaum ernsthaft damit planen.

Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy wissen, dass sie wohl auch in Toronto mit ihrer Forderung auf Granit stoßen werden. Deshalb haben sie ihren Appell sehr zurückhaltend vorgebracht: „Frankreich und Deutschland werden dazu aufrufen, an einer internationalen Einigung über eine globale Finanzmarktsteuer, zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer, zu arbeiten, die ein zusätzliches Element des Beitrags des Finanzsektors zu den Kosten der Krisenbewältigung darstellen soll“, schreiben sie in ihrem Brief an den Gastgeber des Gipfels, Kanadas Premier Stephen Harper.

Angesichts des Widerstands aus Großbritannien bleibt ihnen noch die Möglichkeit, die Einführung der Steuer im Kreis der 16 Euro-Länder ins Auge zu fassen. Ein europäischer Alleingang schmeckt aber der EU-Kommission nicht: Brüssel warnt davor, dass Finanzplätze in der EU unter Druck geraten könnten.

Eine größere Geschlossenheit zeigen die EU-Länder dafür bei der Einführung einer Abgabe, mit der die Banken für die Kosten der Finanzkrise und möglicher zukünftiger Bankpleiten in die Pflicht genommen werden sollen. Beim zurückliegenden EU-Gipfel pochte nur Tschechien darauf, dabei am Ende vielleicht doch nicht mitzumachen. Ansonsten sprachen sich die Europäer einmütig für die Bankenabgabe aus, die aber auf internationaler Ebene viele Gegner hat – darunter Kanada, Japan und Australien.

EU-weit spielen die Briten hierbei eine Vorreiterrolle. Während in Deutschland jährlich bis zu 1,2 Milliarden Euro in einen Fonds fließen sollen, mit dem ein Kreditinstitut im Notfall gerettet werden soll, wird in Großbritannien eine höhere Bankensteuer im kommenden Januar eingeführt: Die Steuer, die der britische Finanzminister George Osborne am Dienstag ankündigte, soll pro Jahr rund zwei Milliarden Pfund (rund 2,4 Milliarden Euro) einbringen. Auch in Frankreich soll es ab 2011 eine Bankensteuer geben, deren Umfang noch unklar ist. Die Einnahmen daraus sollen im Staatshaushalt verbucht werden.

Während die Europäer in Toronto die USA bei der Bankenabgabe auf ihrer Seite wissen, wird weiter über den europäischen Sparkurs gestritten. Trotz der Warnung von US-Präsident Barack Obama, ein zu rigider Sparkurs könnte die Konjunktur abwürgen, wollen die EU-Vertreter hier bei ihrer Linie bleiben, die Staatshaushalte zu konsolidieren. In der EU sind in den vergangenen Monaten zahlreiche Sparpakete geschnürt worden – zuletzt in London. Das britische Sparprogramm ist rekordverdächtig; noch nie hat sich ein Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus freien Stücken zu derart tiefen Einschnitten bereit erklärt.

In Toronto wird die EU mit neun Spitzenleuten vertreten sein. Dass das zahlenmäßige Auftrumpfen der EU bei G-20- Treffen auch mit Argwohn gesehen wird, verdeutlicht eine Anekdote vom November 2008. Beim Gipfel in Washington beugte sich der indische Staatschef Manmohan Singh zu Merkel herüber und fragte sie: „Warum redet der spanische Ministerpräsident so lange? Wie viele Einwohner und welche Wirtschaftskraft hat dieses Land überhaupt?“ Darin spiegelte sich das neue Selbstbewusstsein aufstrebender Mächte wie China und Indien im Kreis der wichtigsten Industrienationen wider. Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero und der niederländische (Noch-)Regierungschef Jan Peter Balkenende werden in Toronto erneut dabei sein, auch wenn sie gar nicht zum eigentlichen Kreis der G-20-Staaten gehören. Dass sie teilnehmen, haben sie einer Einladung Kanadas zu verdanken. Wie lange von dieser speziellen Einladungspraxis noch Gebrauch gemacht wird, ist offen.

Fest zum Kreis der G 20 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Mit Merkel, Sarkozy, Cameron und Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi wächst die Zahl der europäischen Staats- und Regierungschefs, die in Toronto anwesend sind, damit auf sechs.

Doch das ist nicht alles – denn schließlich gehört auch die EU als Organisation zum Kreis der G 20. Im Namen der 27 EU-Staaten reist der Ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy an. Der Belgier soll sich – so sieht es der EU-Vertrag von Lissabon vor – bei dem Gipfel auf Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik konzentrieren. Für alle anderen Themen fühlt sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zuständig, der wie Van Rompuy an der Spitze der EU-Delegation steht und gemeinsam mit dem finnischen EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn anreist.

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