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Politik: G-8-Gipfel: 76 Menschen in Genua zu Unrecht inhaftiert

Die Kritik am Vorgehen der italienischen Polizei gegen die Demonstranten in Genua hat sich am Sonnabend verschärft. Mehrere Politiker forderten die zügige Aufklärung der Vorfälle.

Die Kritik am Vorgehen der italienischen Polizei gegen die Demonstranten in Genua hat sich am Sonnabend verschärft. Mehrere Politiker forderten die zügige Aufklärung der Vorfälle. Die Bundesregierung verlangte von Italien Auskunft über angebliche Einreiseverbote gegen deutsche Globalisierungsgegner. Sie dürfen Berichten zufolge fünf Jahre nicht mehr nach Italien einreisen. Die italienische Polizei hatte beim G-8-Gipfel einen Demonstranten erschossen und Hunderte in zum Teil tagelange Haft genommen. Mindestens 76 von ihnen wurden nach einem Bericht der Zeitung "La Repubblica" unrechtmäßig inhaftiert.

"Das ist eine Verletzung des Wiener Übereinkommens über konsularische Rechte", sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth dem Tagesspiegel. "Nach dem Fall LaGrand ist das ein Hammer." Gegen die Verhafteten habe nichts vorgelegen, was eine solche Verhaftung gerechtfertigt hätte. Die "Quasi-Folter" sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Roth forderte eine Sondersitzung des Innen- und Justizministerrates der EU: "Italien ist Schengen-Staat, EU-Mitglied und hat die Grundrechtecharta ad absurdum geführt."

Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele äußerte sich kritisch. "Eine derartig umfassende Ausübung von Polizeigewalt, die an Massakrieren grenzt, habe ich in meiner 30-jährigen Tätigkeit auch als politischer Strafverteidiger in Deutschland nicht kennengelernt", sagte er dem Tagesspiegel. Er habe Deutsche in italienischer Haft besucht, denen nicht einmal ein Anruf nach Hause erlaubt worden war. "Die Leute waren am Sonntag verhaftet worden, und am Donnerstag waren wir die ersten, die mit ihnen Kontakt hatten". Ein Mitarbeiter des Konsulats sei nicht vorgelassen worden.

Der Präsident der Europäischen Liberalen, Werner Hoyer, sprach von "unglaublichen Fehlleistungen der Polizei", die sauber aufgeklärt werden müssten. Dies sei auch ein "Lackmus-Test für die Rechtsstaatlichkeit" der italienischen Regierung.

Aus Italien wurden unterdessen Meldungen bestätigt, wonach vier Abgeordnete der rechtsgerichteten Alleanza Nazionale sich während des Polizeieinsatzes in der Polizeizentrale aufgehalten hätten. "In den italienischen Polizeiorganen herrscht zum Teil faschistoides Gedankengut, und sie dachten, mit Rückendeckung von oben zuschlagen zu können", berichtete Uwe Staffler, früherer Mitarbeiter des Justizstaatssekretärs in der abgelösten Mitte-Links-Regierung. "Es gab Signale, dass ihnen in einem solchen Fall nicht viel passieren würde." Das sei aber nicht zu befürchten. Richterschaft und Staatsanwaltschaft in Italien seien unabhängig und sammelten bereits Indizien.

Die Tageszeitung "La Republica" berichtete am Samstag von ersten Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Genua. Danach wurden während der vier Tage in Genua insgesamt 288 Personen inhaftiert. Nur für 149 Personen habe aber ein gültiger Haftbefehl vorgelegen. 49 waren am Samstag noch in Haft.

Fatina Keilani

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