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G-8-Gipfel in Toyako: Umstrittener Klimakompromiss

Der G-8-Gipfel ist vorbei. Die Teilnehmer feiern den Gipfel als „produktiv“. Die Gespräche zum Klimaschutz werden als großer Fortschritt verkauft. Doch hält das Ergebnis einer Prüfung stand?

Von Amir El-Ghussein

Die Staatschefs der acht mächtigen Industrienationen haben sich in Toyako getroffen und in einem Wohlfühlambiente wichtige globale Fragen ausgetauscht. Klimaschutz, Energiesicherung, Hungerkrise und Atompolitik standen auf dem Themenplan des Gipfels.

In der öffentlichen Wahrnehmung war der Klimaschutz das dominierende Thema. Die Staatschefs feierten den Klimakompromiss als "großen Durchbruch". Immerhin stimmte US-Präsident George W. Bush auf dem G-8-Gipfel im japanischen Toyako einem Beschluss zu, den Ausstoß an schädlichen Treibhausgasen bis 2050 mindestens zu halbieren. So sieht Bush in der Klimafrage "bedeutsame Erfolge" und einen "bedeutenden Fortschritt" hin zu einer gemeinsamen Haltung. Gibt der US-Präsident zum Ende seiner Amtszeit sein Blockadehaltung auf? Die Grundhaltung der USA, verbindliche Vereinbarungen nur zu übernehmen, wenn die Entwicklungsländer auch bindenden Zielen zustimmen, ist noch nicht von Tisch. Die Weichenstellungen auf dem UN-Klimagipfel im nächsten Jahr in Kopenhagen kann Bush jedenfalls nicht mehr bestimmen.

Bei genauer Betrachtung der zentralen Übereinkunft erweist sich der Kompromiss, den CO2-Ausstoß zu halbieren, als tückisch. Die Klimawissenschaft mahnt eine globale Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 50 Prozent bis 2050 an. Als Bezugszeitpunkt benutzen die Wissenschaftler das Jahr 1990. Der auf dem Gipfel diskutierte Vorschlag Japans geht aber vom heutigen Zeitpunkt aus. Die Emissionen sind aber seit 1999 kräftig gestiegen. Deshalb bedeutet der japanische Vorschlag de facto nur eine Reduzierung von etwa 30 Prozent. Für Carsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace, ist das schlicht "unverschämt". Die notwendige Reduktion der Industrienationen müsse bei 80 bis 90 Prozent liegen. "Die G 8 führt die Welt in die Klimakatastrophe", sagt Smid.

Die Schwellenländer fordern größere Anstrengungen

Auch die Schwellenländer haben die Kompromissformel der G 8 mit wenig Begeisterung zur Kenntnis genommen. Mit ihren vagen Klimazielen werden die reichen Industrienationen aus Sicht von Chinas Präsident Hu Jintao und Indiens Premier Manmohan Singh ihrer "historischen Verantwortung" keineswegs gerecht. Hu Jintao und Manmohan Singh konnten kein vorbildliches Verhalten der "führenden Industrienationen" erkennen. Kühl und selbstbewusst forderten die Führer der Schwellenländer die wohlhabenden Staaten auf, ihre Treibhausgase bis 2050 nicht nur um 50 Prozent, sondern vielmehr um 80 bis 95 Prozent zu verringern: "Die Menschheit steht an einem kritischen, historischen Scheideweg." Es sei entscheidend, dass die G-8-Staaten mit ihren technischen und finanziellen Möglichkeiten vorangingen, um "ambitionierte Ziele" zu erreichen und den armen Ländern beim Klimaschutz zu helfen.

Hu Jintao und Manmohan Singh haben es offenbar satt, von anderen als Ausrede für eigene Untätigkeit benutzt zu werden. Umweltorganisationen bescheinigten Hu Jintao und Singh anerkennend, die Chinesen seien im Gegensatz zu US-Präsident George W. Bush keineswegs untätig gewesen. In ihren Ländern gebe es längst umfassende nationale Programme zum Kampf gegen die globale Erwärmung, die viel Lob finden. "China und Indien sind schon dabei, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten", sagte Kathrin Gutmann vom World Wide Fund for Nature (WWF). "In beiden Ländern gibt es gute Pläne, auf die aufgebaut werden kann."

Perspektive für den nächsten Klimagipfel

Für die UN-Klimaverhandlungen 2009 in Kopenhagen kommt es darauf an, Verpflichtungen für die Industrienationen und die Schwellenländer festzulegen. Die USA werden sich auf keine Verpflichtung einlassen, wenn nicht auch die Schwellenländer einen Beitrag leisten - und China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika werden wiederum keinen Zielen zustimmen, sofern der Westen nicht als gutes Beispiel vorangeht. Als Knackpunkt für eine Einigung könnte sich hier das Basisjahr für die Reduktionen erweisen. Die Schwellenländer beobachten sehr genau, wie die Industrieländer die CO2-Emission reduzieren wollen. Eine Verschiebung des Basisjahrs würde zu einem Glaubwürdigkeitsverlust führen. Schließlich sehen die Entwicklungsländer durch den Klimaschutz ihre wirtschaftliche Entwicklung gefährdet. Wenn die Industrienationen hier an Glaubwürdigkeit verlieren, wird Klimaschutz als Entwicklungshemmnis interpretiert und China, Indien oder Brasilien würden ihrem industriellen auf fossilen Energieträgern gestützten Entwicklungspfad weiter folgen - zum Leidwesen des globalen Klimas.

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