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Orange färbt die untergehende Sonne den Himmel über Wernigerode hinter stark geschädigten Fichten.

© dpa

G7-Gipfel in Elmau: Stoppt den Raubbau am Wald!

Vom G7-Gipfel müssen entscheidende Schritte zum Schutz der Natur ausgehen - auch weil Waldverlust ein treibender Faktor für die Klimakrise ist. Ein Gastbeitrag.

Ein Gastbeitrag von Ani Dasgupta

Global Challenges ist eine Marke der DvH Medien. Das neue Institut möchte die Diskussion geopolitischer Themen durch Veröffentlichungen anerkannter Experten vorantreiben. Der heutige Autor Ani Dasgupta ist CEO des World Resources Institute. Weitere AutorInnen: Prof. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Sigmar Gabriel, Prof. Veronika Grimm, Dr. Werner Hoyer, Günther H. Oettinger, Prof. Jörg Rocholl PhD, Prof. Dr. Bert Rürup, Prof. Dr. Renate Schubert, Jürgen Trittin.

Es ist noch keine acht Monate her, dass sich Staats- und Regierungschefs aus 141 Ländern auf der Weltklimakonferenz in Glasgow getroffen haben. Dort verpflichteten sie sich, den Verlust von Wäldern und die Verschlechterung der Bodenqualität bis zum Jahr 2030 zu stoppen.

Neue Daten der Plattform Global Forest Watch zeigen allerdings: Die Welt ist weit davon entfernt ist, diesen Kampf zu gewinnen. Im vergangenen Jahr sind in den Tropen 3,75 Millionen Hektar Urwald verloren gegangen – das entspricht einer Fläche von zehn Fußballplätzen pro Minute. Wenn die Welt dem Raubbau am Wald jetzt nicht Einhalt gebietet, werden die Auswirkungen der Klimakrise noch schwerwiegender als sie es ohnehin sind. Außerdem gebietet es die globale Nahrungsmittelkrise, den Raubbau am Wald endlich umzukehren.

Der vom 26. bis zum 28. Juni geplante Gipfel der G7-Staaten im bayerischen Elmau wird von Russlands Krieg gegen die Ukraine geprägt sein, von den explodierenden Energie- und Lebensmittelpreisen sowie der Klimakrise. Diese zentralen Herausforderungen erlauben es erst recht nicht, Maßnahmen gegen die Abholzung der tropischen Wälder erst einmal zu verschieben. Denn das Problem der Deforestation ist eng mit den anderen Herausforderungen verbunden.

Deshalb sollten die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und den USA – die im Übrigen alle die Klimaziele von Glasgow unterschrieben haben – auf Schloss Elmau ernsthaft darüber nachdenken, wie man die Umwandlung von Waldflächen in andere Landnutzungsformen beenden kann.

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Es ist erwiesen, dass Waldverlust ein treibender Faktor für die Klimakrise ist. Weiter zunehmende Unbeständigkeit des Klimas würde voraussichtlich dazu führen, dass die wichtigsten nahrungsmittelproduzierenden Regionen der Welt künftig nicht mehr funktionieren.

Satte Wiesen im Sonnenschein. Mitten darin liegt das Tagungshotel Schloss Elmau. Foto: Peter Kneffel/dpa
Satte Wiesen im Sonnenschein. Mitten darin liegt das Tagungshotel Schloss Elmau. Foto: Peter Kneffel/dpa

© dpa

Der fortdauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine veranschaulicht, welch verheerende Folgen die Unterbrechung der landwirtschaftlichen Rohstoffexporte aus der Ukraine– eine der großen Kornkammern der Welt – für die globale Nahrungsmittelsicherheit haben. Wenn wir nicht endlich etwas gegen die Abholzung der tropischen Wälder unternehmen, werden diese verheerenden Folgen unser ständiger Begleiter.

Drei Dinge sind zu tun

Der G7-Gipfel unter Präsidentschaft Deutschlands steht unter dem Motto „Fortschritt für eine gerechte Welt“. Von Schloss Elmau solle „ein gemeinsames Signal starker Demokratien ausgehen, die sich ihrer globalen Verantwortung bewusst sind“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz. Ein Signal, das wichtiger ist denn je.

Allerdings sind gerade die G7-Länder große Konsumenten jener Rohstoffe, die den Verlust der Wälder vorantreiben, beispielsweise Sojabohnen, Rindfleisch, Palmöl, Zellstoff, Gummi und Kakao. Von 2005 bis 2017 waren die Mitglieder der G7 und der übrigen EU-Länder für fast ein Drittel der abgeholzten tropischen Wälder verantwortlich.

Immerhin enthält das im Mai von den Umweltministern der G7 in Berlin ausgearbeitete Kommuniqué die richtige Stoßrichtung. Man sei zusammengekommen, so heißt es dort, „um uns mit den vielfältigen Krisen zu befassen, die unser Klima und unsere Umwelt gefährden und schwerwiegende Auswirkungen auf den Planeten, das Leben und den Lebensunterhalt sowie die Bedürfnisse der nächsten Generationen auf der ganzen Welt haben“. Außerdem verpflichteten sich die Minister zu nachhaltigen Lieferketten, um die Ziele von Glasgow zu unterstützen.

Doch die Wälder, von denen es abhängt, ob die Menschheit sich weiterhin entwickeln kann, benötigen mehr als freundliche Worte und wiederholte Verpflichtungen. Die Staats- und Regierungschefs der G7 müssen vor allem drei wirksame Maßnahmen ergreifen.

[Lesen Sie mehr: Brandschutz versus Baumschutz: Soll das Totholz im Wald von Treuenbrietzen liegenbleiben? (T+)]

Erstens müssen die G7-Staaten Vereinbarungen zur sogenannten Sorgfaltspflicht treffen, mit denen die Einfuhr von Waren, die mit der Entwaldung in den Tropen in Verbindung stehen, verboten würde. Die Europäische Union, die USA und Großbritannien unternehmen zunehmend Anstrengungen in diese Richtung. Die müssen jetzt abgestimmt und konsequent umgesetzt werden.

Olaf Scholz am 22. Juni vor dem Bundestag.
Olaf Scholz am 22. Juni vor dem Bundestag.

© John MACDOUGALL / AFP

US-Präsident Joe Biden hat seine Regierung inzwischen angewiesen, Optionen zur Bekämpfung der internationalen Entwaldung aufzuzeigen. Derselbe Schwerpunkt findet sich auch in einem Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission. In Großbritannien wiederum steht ein Gesetzentwurf zur Sorgfaltspflicht kurz vor der Verabschiedung. All diese Schritte sind zu begrüßen, aber die Zeit drängt. Deshalb sind auch Kanada und Japan aufgefordert, endlich an entsprechenden Strategien mitzuarbeiten.

Zweitens müssen die G7-Länder anerkennen, dass Regulierung zwar unverzichtbar ist, aber durch technische und finanzielle Hilfe für produzierende Länder ergänzt werden muss. Sonst können diese sich an ihrem Ende der Lieferkette kaum glaubhaft zu einer verringerten Entwaldung verpflichten.

Viele Produzenten von landwirtschaftlichen Rohstoffen sind Kleinbauern wie die Kakaobauern in Westafrika oder die Palmölproduzenten in Südostasien. In Zeiten starker Marktschwankungen und steigender Nahrungsmittelpreise müssen die Verbrauchernationen Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht mit einem großzügigen Unterstützungspaket verbinden. Technische Hilfe und Klimafinanzierung sind notwendig, um einen gerechteren Übergang zu erreichen.

[Lesen Sie mehr: Zum Schutz der Wälder: Berlin müsste deutlich mehr Rehe schießen – wegen des Klimawandels (T+)]

Drittens sollten die G7-Mitglieder mit anderen aufstrebenden Verbrauchermärkten zusammenarbeiten und ambitioniertere Verpflichtungen und Maßnahmen auf den Weg bringen. Vor allem China spielt eine entscheidende Rolle in den globalen Lieferketten.

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Man geht davon aus, dass die chinesische Nachfrage nach waldgefährdenden Erzeugnissen enorm ansteigen könnte, da seine Abhängigkeit von importierten Nahrungs- und Futtermitteln wächst. Das muss unbedingt verhindert werden. Stattdessen sollte und könnte China eine Führungsrolle bei positiven Veränderungen in diesem Bereich übernehmen.

Keine Zeit mehr zu verlieren

Der G7-Gipfel bietet die einmalige Gelegenheit, globale Maßnahmen gegen den Raubbau am tropischen Wald voranzubringen, ohne die unser Planet langfristig nicht mehr für alle Menschen bewohnbar sein wird. Deshalb sollten die Staats- und Regierungschefs der G7 in Elmau konkrete Schritte einleiten, um dieses Risiko zu entschärfen.

Ein hartes Durchgreifen gegen Deforestation wäre die richtige Strategie, sie darf auf der Gipfel-Agenda auf keinen Fall zu kurz kommen. Es ist die vornehmste Aufgabe unserer Staats- und Regierungschefs, den Herausforderungen von heute entschlossen zu begegnen, um uns und unserem Planeten eine Zukunft zu geben. Dabei gilt: Die Welt hat keine Zeit mehr zu verlieren.

Ani Dasgupta

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