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Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier. Wer macht das Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur?

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Gabriel, Steinbrück oder Steinmeier: SPD-Kanzlerkandidatur: Wer hat die besten Chancen?

Die Sozialdemokraten wollen ihren Kanzlerkandidaten noch nicht ausrufen, werden es aber wohl bald müssen. Offiziell sind alle drei Anwärter noch im Rennen. Doch schadet die "Briefkopf"-Affäre Peer Steinbrück?

Von
  • Antje Sirleschtov
  • Hans Monath

Wenn Politiker eine besonders heikle Frage klären müssen, können sie diese entweder dramatisieren oder bagatellisieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel wählte am Montag nach der Sitzung des Parteivorstands zum Rentenkonzept die zweite Möglichkeit. Es sei „gar nichts schlimm dran“, wenn auch die SPD über die Kandidatenkür debattiere, versicherte er auf eine Journalistenfrage. Tatsächlich vermitteln immer neue Meldungen über intern längst gefällte Entscheidungen zum künftigen Herausforderer von Angela Merkel den Eindruck, dass der Parteichef selbst nicht mehr Herr des Verfahrens ist, das er ursprünglich erst Ende 2012 oder Anfang 2013 abschließen wollte. Zumindest scheint er eingesehen zu haben, dass er die Forderungen aus der SPD nach einer schnelleren Ausrufung nicht mehr stoppen kann.

Was hat die Kandidatensuche mit der Rente zu tun?

Die noch strittigen Fragen zum Rente sollen bis zum Parteikonvent am 24. November geklärt werden. Vorher wird die SPD nach Angaben von Mitgliedern des Parteivorstands auch keinen Kandidaten ausrufen. Das ist im Interesse aller drei möglichen Kandidaten und in dem des besonders kritischen linken Parteiflügels. Weder Frank-Walter Steinmeier noch Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel könnten als Kanzlerkandidat glaubhaft ein Rentenkonzept vertreten, das milliardenschwere, aber nicht finanzierbare Versprechungen enthält. Wer immer Kandidat wird, müsste mit dem Risiko leben, dass die Parteilinke im Bündnis mit Gewerkschaften sowie den organisierten Frauen und Arbeitnehmern noch einmal draufsattelt. Umgekehrt besteht die SPD-Linke darauf, vor der K-Frage erst die wesentlichen Programmpunkte zu klären.

Gibt es bereits eine Vorentscheidung?

Alle drei Anwärter sind noch im Rennen, am Zeitplan hat sich nichts geändert – so lautet seit Tagen die offizielle Version aus dem Willy-Brandt-Haus. Und sowohl aus dem Lager Gabriels wie auch aus dem Steinmeiers wird versichert, es habe bislang keine Absprache der drei Anwärter darüber gegeben, wer die Partei in den Wahlkampf führen werde. Allerdings werden gerade zentrale politische Entscheidungen oft stillschweigend vorgeklärt – darauf weist auch in der SPD vieles hin.

Parteichef Gabriel weiß genau, dass er selbst in Umfragen weniger Zuspruch findet als die beiden „Stones“ Steinmeier und und Steinbrück. Und die Partei traut ihm zu, dass er daraus die richtigen Schlüsse zieht. Bleiben zwei Anwärter. Seit Monaten steht eine Mehrheit in der Partei für Steinmeier als Kandidaten. Der aber hält sich bedeckt, hat lange keine Signale der Bereitschaft zur Kandidatur mehr gesetzt. Ob bewusst oder unbewusst: Der Wahlverlierer von 2009 erweckt in einer entscheidenden Phase der SPD-Aufstellung den Eindruck von Zögerlichkeit. Ohnehin halten wichtige Sozialdemokraten den Fraktionschef für einen guten Kanzler, aber nicht für einen guten Wahlkämpfer.

Einen bissigen, harten Auftritt gegen Merkel im Wahlkampf verspricht dagegen Steinbrück. Das sozialdemokratische Schreckgespenst große Koalition geht der Ex-Finanzminister offensiv an, indem er kategorisch ausschließt, je wieder in ein Kabinett Merkel einzutreten. Gleichzeitig kann er mit seiner zuweilen autoritären Attitüde und seinem gern betonten Abstand zur Funktionärspartei SPD Wähler in der Mitte ansprechen.

Je länger Steinmeier zögert, um so mehr steigen Steinbrücks Chancen. Mit Spannung wird erwartet, welche Rezepte Steinbrück für eine konsequente Regulierung des Finanzsektors und der Bankenwelt bereit hält. An diesem Dienstag will er sie seiner Fraktion vorstellen. Manche Sozialdemokraten sagen: Der Ex-Finanzminister ist Gabriels Favorit für den Posten. Allerdings muss der Parteichef dann die Parteilinke noch überzeugen. Für die ist der Fan der Agenda 2010, frühere Gegner von Mindestlöhnen und Vermögenssteuern ein rotes Tuch, auch wenn er inzwischen zentrale Positionen korrigiert hat.

Ist der Zeitplan zur K-Frage hinfällig?

Ursprünglich wollte Gabriel vor der Kandidatenkür die Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar 2013 abwarten, im Lauf des Jahres dann gab er das Ziel aus, Ende 2012, Anfang 2013 zu entscheiden. Inzwischen aber rät nicht nur Altkanzler Gerhard Schröder zu einer raschen Ausrufung. Auch die sozialdemokratischen Wahlkämpfer aus Niedersachsen dringen auf eine rasche Kür des Kanzlerkandidaten. Spitzenkandidat Stephan Weil verlangt nun, dass der Kandidat zu einem für seinen Wahlkampf günstigen Zeitpunkt benannt werde. Das erhöht den Druck auf Gabriel. Er muss alles tun, um den Eindruck zu vermeiden, die Entscheidung werde ihm aus der Hand genommen. Sonst leidet seine Autorität als Parteivorsitzender. „Auf dem Parteikonvent am 24. November könnte die Entscheidung über den Kandidaten fallen“, sagt ein Mitglied des Parteivorstands.

Schadet die „Briefkopf-Affäre“ Steinbrück?

Am Wochenende war bekannt geworden, dass Steinbrück 2006, er war damals Finanzminister unter Kanzlerin Merkel, auf einem Briefkopf mit seiner Amtsbezeichnung um Sponsorengelder für ein Schachturnier geworben hatte. Und zwar ausgerechnet bei der Post und der Telekom, bei denen der Bund Anteilseigner war und für deren Aufsicht der Minister qua Amt zuständig war. Der schachbegeisterte Steinbrück hatte seinerzeit um einen Betrag zwischen 950 000 und einer Million Euro für die Austragung eines Schachturniers zwischen dem Schachweltmeister Wladimir Kramnik und dem Schachcomputer „Deep Fritz“ geworben. Beide Konzerne hatten abgelehnt. Und zwar, hieß es heute aus den Konzernzentralen, weil ein Schachsponsoring nicht in ihre Strategie gepasst hat. Steinbrück hat den Vorgang zugegeben, jedoch Vermutungen zurückgewiesen, er habe sein Ministeramt dazu genutzt, Druck auf die bundeseigenen Unternehmen auszuüben.

Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim jedoch meint, es gehe nicht darum, ob Steinbrück Druck ausgeübt habe. Dass Steinbrück unter Zuhilfenahme seines Amtes als Bundesfinanzministers auf dem Briefkopf um Sponsorenbeiträge für eine private Veranstaltung geworben hat, sei „rechtlich unzulässig“, sagte Arnim dem Tagesspiegel. Ein Amtsträger sei „strikt dem Gemeinwohl verpflichtet und darf das Amt nicht missbrauchen, um für private Veranstaltungen zu werben". Für die SPD-Spitze hat die „Affäre“ keine Weiterungen. „Das ist aus meiner Sicht nicht problematisch“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in der ARD. Sie gehe davon aus, dass die Angelegenheit Steinbrück nicht schaden werde. In CDU und FDP hingegen sprach man schon von einem „Geschmäckle“.

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