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Gabriel und Schröder: Vermögensteuer: Aus Alt mach Neu

Sigmar Gabriel hat schon einmal eine Vermögensteuer angeschoben – damals war Bundeskanzler Gerhard Schröder dagegen.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Wie auch immer man im Politischen links verortet: Mit dem Beschluss, sich für die Einführung einer Vermögensteuer stark zu machen, haben sich die Sozialdemokraten an diesem Wochenende bei ihrem Parteitag offenbar irgendwo in der Mitte zwischen FDP und Wirtschaftsverbänden einerseits und der Linkspartei andererseits positioniert. FDP-Chef Guido Westerwelle bescheinigte der SPD am Montag, sie hätten in Dresden einen „großen Schritt nach links“ gemacht, was er bedauere. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach gar von einem „rückwärts gewandten Kurswechsel“ in der Wirtschaftspolitik und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Hans Heinrich Driftmann, kritisierte: „Mit einem solchen Plädoyer für eine bürokratische und leistungsfeindliche Neidsteuer löst man keine Zukunftsfragen.“ Den Linken hingegen geht die Neuausrichtung nicht weit genug. Die beschlossenen Kursänderungen seien „richtig, aber zu zaghaft“, sagte Linkspartei-Vize Klaus Ernst.

Auch innerhalb des sozialdemokratischen Lagers löste die Entscheidung nicht nur Zufriedenheit aus. Während Berlins Regierender Bürgermeister und SPD-Vize Klaus Wowereit die Vermögensteuer als Bestandteil eines gerechteren Steuersystems verteidigte, äußerte sich Wowereits Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) deutlich ablehnend. Diese Steuer sei nicht nur schwer zu erheben, er rate auch aus „psychologischen Gründen dazu, die Finger davon zu lassen“, sagte Nußbaum auf einer Veranstaltung der Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG in Berlin. Die Existenz einer Vermögensteuer sei auch ein Argument, ob Unternehmer weiterhin an den Wirtschaftsstandort Deutschland glaubten oder sich an den Rand gedrängt fühlten, sagte Nußbaum, der vor seinem Amtsantritt in Berlin selbst ein Unternehmen führte.

In der Tat gibt es um die Besteuerung von Vermögen in Deutschland seit Jahrzehnten eine Auseinandersetzung. Sie gipfelte Mitte der neunziger Jahre in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, in der die Richter die Steuer als verfassungswidrig ansahen. Allerdings nicht, weil die Besteuerung von Vermögen – also von Substanz und nicht Gewinn – an sich mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Sondern nur, weil die Erhebung der zu versteuernden Werte zu groben Ungerechtigkeiten geführt hatte. Die Richter empfahlen seinerzeit eine Reform. Diese jedoch war politisch nicht durchsetzbar. Seit 1997 wird die Steuer daher nicht mehr erhoben. Zuletzt nahmen die Bundesländer damit pro Jahr rund 4,5 Milliarden Euro ein.

2002, mitten in der ersten rot-grünen Regierungszeit von Gerhard Schröder, wagte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel gemeinsam mit Peer Steinbrück aus Nordrhein-Westfalen einen erneuten Vorstoß. Sie wollten über eine Bundesratsinitiative die Vermögensteuer mit einem Satz von einem Prozent auf Geld-, Immobilien- und andere Vermögen wieder einführen. Dabei sollten deutlich höhere Freibeträge für Betriebe und Privatpersonen gelten als bei der früheren Vermögensteuer. Das Gesamtaufkommen aus der Vermögensteuer sollte dennoch fast doppelt so hoch sein wie 1996. Seinerzeit sollte eine vierköpfige Familie erst bei mehr als einer Million Euro Vermögen mit einem Prozent besteuert werden. Das wären 10 000 Euro jährliche Steuer bei einem Vermögen von zwei Millionen Euro. Ein Betrieb sollte ab etwa 2,5 Millionen Euro vermögensteuerpflichtig werden. Gabriels Initiative scheiterte seinerzeit – und zwar nicht nur am Widerstand unionsgeführter Länder, sondern auch an dem des SPD-Kanzlers Schröder.

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