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Benjamin Netanjahu (l.) und Benny Gantz

© Jack Guez / AFP

Gantz' große Chance: Israel ohne Netanjahu?

Staatspräsident Rivlin hat darauf gesetzt, dass Netanjahu keine Koalition zusammenbringt. Jetzt könnte der Langzeit-Premier abgelöst werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das ist ein Akt von großer Tragweite. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin empfängt den Vorsitzenden des Bündnisses „Blau-Weiß“, Benny Gantz, in seiner Jerusalemer Residenz, um ihm offiziell den Auftrag der Regierungsbildung zu erteilen. Daran zeigt sich so viel: Rivlins eigentlicher Plan und sein langes Gedächtnis.

Ex-Generalstabschef Gantz ist erst nach dem amtierenden Premier Benjamin Netanjahu zum Zug gekommen. Offenbar hat Rivlin aber genau darauf gesetzt: dass Netanjahu im ersten Versuch keine Koalition und keine Mehrheit für sich zusammenbringen würde. Nun hat Gantz die große Chance, den mit Korruptionsvorwürfen konfrontierten Langzeit-Premier (mit mehr als 13 Jahren länger als Staatsgründer David Ben-Gurion) abzulösen. Das war erklärtes Wahlziel.

Zunächst Likud eingeladen

Gantz werden 28 Tage für die Koalitionsbildung zur Verfügung stehen. Die Frist beginnt am Mittwoch um Mitternacht und endet unmittelbar vor Mitternacht am 20. November. „Blau-Weiß“ wird in den kommenden vier Wochen mit den Repräsentanten aller neun anderen in der Knesset vertretenen Parteien reden. Offizielle Koalitionsverhandlungen werden aber nur mit möglichen Koalitionspartnern geführt.

Als erste Partei wird Gantz den Likud zu Gesprächen einladen, in der Hoffnung, dass der Zweitplazierte bei der jüngsten Wahl sich jetzt von Netanjahu lossagt und einer Regierung der nationalen Einheit zustimmt, wie sie Rivlin befürwortet - allerdings unter Führung von „Blau-Weiß“. Kommt es so, trägt der Präsident am Ende zugleich einen späten Sieg über den Premier davon.

Rivlin und Netanjahu, ehedem Parteifreunde im Likud, sind einander inzwischen in Abneigung verbunden. Netanjahu hatte Rivlins Ambitionen bei dessen Wiederwahl als Parlamentspräsident und später bei seiner Präsidentschaftskandidatur erschwert. Und aus Protest gegen das umstrittene Nationalstaatsgesetz der Regierung hatte Rivlin es schließlich auf Arabisch unterschrieben.

Als der gegenwärtige Premier dann jüngst eine Machtteilung anbot – eine Rotation im Amt wie beim damaligen Labour-Chef Shimon Peres und Likud-Führer Jitzhak Schamir in den 1980er Jahren - gratulierte ihm Präsident Rivlin ironisch zum abrupten Sinneswandel. Wohl wissend, dass das Netanjahus letzte Chance gewesen sein könnte, sich doch noch zumindest einen Teil der Macht zu sichern.

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