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Politik: Ganz realistisch

Von Lutz Haverkamp

Gegen die Raucher habe man nichts, aber die Nichtraucher müssten besser geschützt werden. So begründet eine große Gruppe von Bundestagsabgeordneten den Plan, das Rauchen in Kneipen, Gaststätten und anderen öffentlichen Räumen zu verbieten. Die Zahlen sind in der Tat bedrückend: Durch Rauchen und Passivrauchen sterben jedes Jahr in diesem Land 110 000 Menschen – 300 pro Tag. Doch muss man deshalb das Rauchen per Gesetz einschränken?

Dabei ist die deutsche Gesellschaft bereit, sich mit ganz anderen Realitäten abzufinden: mehr als 42 000 Tote jedes Jahr, 1,6 Millionen Menschen in Deutschland in Abhängigkeit. Familien werden ins Unglück getrieben, Ehefrauen werden zu Witwen, Kinder zu Waisen. Vom volkswirtschaftlichen Schaden gar nicht zu reden. Alkohol ist trotzdem nicht verboten. Rund 5500 Todesopfer und eine knappe halbe Million gesundheitlich Geschädigte – darunter eine Vielzahl Krüppel, Arm- und Beinamputierte. Zerstörte Familien, Frauen werden Witwen, Kinder zu Waisen. Jedes Jahr. Verboten ist das Autofahren trotzdem nicht. Es gibt kein generelles Tempolimit auf Autobahnen und eine Null-Promille-Grenze auch nicht.

Klar: Die Beispiele sind nicht vergleichbar und werden der Debatte um ein Rauchverbot, das jetzt – mal wieder – eine Gruppe von SPD-Politikern durchsetzen will, nur in Teilen gerecht. Aber die Beispiele zeigen eines: Es gibt etwas, das vielen Menschen bei allem Risiko für Leib und Leben ein höheres und wichtigeres Gut ist als staatliche Ver- und Gebote. Es ist die individuelle Freiheit, sich für oder gegen etwas entscheiden zu können. Für Alkohol, für eine Spritztour auf der Autobahn mit 280 Stundenkilometern, für Zigaretten. Oder auch dagegen.

Schutz müssen die erhalten, die durch die freie Entscheidung anderer Nachteile haben könnten. Dafür haben Raucher einiges getan. Richtig und unstrittig ist heute, dass in Behörden, am Arbeitsplatz, in Krankenhäusern, Bussen, Bahnen, Flugzeugen nicht mehr geraucht werden darf. Wenn jemand vor zehn oder zwanzig Jahren prophezeit hätte, dass dies weitgehend einvernehmlich passieren wird, kaum jemand hätte ihm geglaubt. Die Bereitschaft vieler Raucher, Rücksicht zu nehmen, sowie die gesellschaftliche Ächtung des Rauchens selbst sind weit fortgeschritten.

Sicher, ein generelles Rauchverbot für Kneipen, Restaurants und Bars wäre der sicherste Schutz für Nichtraucher. Aber es wäre auch Staatsinterventionismus, der zu weit geht. Nicht nur, weil das staatliche Interesse an den Rauchern in sich unlogisch und inkonsequent ist: Diejenigen, die aus der Öffentlichkeit verdrängt werden sollen, zahlen etwa 14 Milliarden Euro Steuern an den Finanzminister, der ohne diese Einnahme noch größere Probleme hätte. Es wäre ein Stück Unkultur, das Rauchen in der Öffentlichkeit gesetzlich zu verbieten. Essen, Trinken, Tresengespräche und Rauchen gehörten für Raucher schon immer zusammen. Nichtraucher müssen das nicht verstehen, aber sie sollten es akzeptieren. Jedem Barbetreiber ist es unbenommen, sein Lokal oder Bereiche davon zur nikotinfreien Zone zu erklären. Ein Gesetz braucht man dafür nicht. Sondern eine freie Entscheidung in einer Gesellschaft, in der nicht alles vom Staat geregelt werden muss. Frei zu sein, ist auch eine Realität. Eine, die immer kleiner wird.

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