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Politik: Gar nicht so regierungsfromm

Die SPD als Kanzlerwahlverein - ein beliebtes Klischee. Trotzdem zeigt sich nun bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl, dass die SPD-Delegierten weniger obrigkeitshörig oder nachtragend sind, als sich das Generalsekretär Franz Münterfering im vergangenen Jahr gewünscht hatte: Den 19 SPD-Abweichlern bei der ersten Bundestags-Abstimmung über den Mazedonien-Einsatz drohte Müntefering damals offen mit Konsequenzen bei der Kandidatenwahl.

Von Hans Monath

Die SPD als Kanzlerwahlverein - ein beliebtes Klischee. Trotzdem zeigt sich nun bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl, dass die SPD-Delegierten weniger obrigkeitshörig oder nachtragend sind, als sich das Generalsekretär Franz Münterfering im vergangenen Jahr gewünscht hatte: Den 19 SPD-Abweichlern bei der ersten Bundestags-Abstimmung über den Mazedonien-Einsatz drohte Müntefering damals offen mit Konsequenzen bei der Kandidatenwahl. Doch fast alle Dissidenten, die sich um ein neues Mandat bemühten, erreichten nun wieder gute Plätze. Auch im Landesverband Hessen, das als eines der letzten Flächenländer die Liste Ende April aufstellt, werden dem Anwalt Rüdiger Veit, damals Wortführer der Mazedonien-Dissidenten, gute Chancen auf einen sicheren Platz eingeräumt.

Ein halbes Jahr vor der Wahl lassen die Umfragedaten viele Abgeordnete und Kandidaten der SPD um ihren Einzug in den Bundestag bangen. Bei Werten um die oder gar unter 35 Prozent kann die Partei nur hoffen, dass die Aufklärung in Köln und die Aufhellung der düsteren Konjunkturaussichten die eigene Fraktion nach dem 22. September doch wieder stark machen. Wenn auch die Wahlchancen unsicher sind, scheint ein Ergebnis festzustehen: 2002 wird für die SPD-Fraktion kein Jahr des radikalen Generationenwechsels.

Die sicheren Wahlkreise sind vergeben, auch die meisten Landesverbände haben ihre Listen gewählt - Schaukämpfe von bundespolitischer Bedeutung sind ausgeblieben. So scheinen die Delegierten die Arbeit ihrer Kabinettsmitglieder zu schätzen, die sich wie Kanzler Gerhard Schröder (Platz eins in Niedersachsen) keine Sorgen um den Wiedereinzug ins Parlament machen müssen oder gar - wie Otto Schily in Bayern - ganz nach vorne gehievt wurden. So beschäftigt scheint die SPD mit den Problemen des Regierens, dass für Kabalen in den eigenen Reihen kaum mehr Zeit bleibt. Das ist um so erstaunlicher, als wegen der Bundestagsverkleinerung die Konkurrenz um die sicheren Plätze härter geworden ist.

Den Eindruck der gepflegten Kontinuität stören auch die Namen derjenigen nicht, die auf eine weitere Legislaturperiode verzichtet haben oder nicht mehr aufgestellt wurden. Sieht man von Bundestags-Vizepräsidentin Anke Fuchs ab, so verliert die SPD nach heutigem Stand keinen wirklich prominenten Politiker. Doch einige ausgewiesene Experten scheiden aus: So kehren Forschungsstaatssekretär Wolf-Michael Catenhusen und die Bioethik-Fachfrau Margot von Renesse nicht mehr ins Parlament zurück. Von den Flügel-Exponenten geht Detlev von Larcher vom "Forum Demokratische Linke 21". Aspiranten auf seine Nachfolge als Stimme der Linken sind die ehemaligen Juso-Chefs Andrea Nahles und Benjamin Mikfeld. Prominentester Neu-Abgeordneter der SPD wird wohl das frühere Hamburger Stadtoberhaupt Ortwin Runde.

Vor 1998 war es für die SPD ein Problem, dass in ihrer Bundestagsfraktion die junge Generation kaum vertreten war. Nun aber sind nicht nur die bayerischen Sozialdemokraten stolz darauf, dass sie "die jüngste Liste aller Zeiten" gewählt haben. Auch die neue Bundestagsfraktion, so sagt Parteisprecher Lars Kühn voraus, werde das selbst gesteckte Ziel "30 unter 40" mit hoher Wahrscheinlichkeit übertreffen.

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