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Politik: Gas tötete 116 Moskauer Geiseln

Ein Gefangener erschossen / Soldat: Kidnapper exekutiert / USA fordern Aufklärung über Befreiungsaktion

Moskau/Amsterdam/München (Tsp). Nach der Erstürmung des von tschetschenischen Terroristen besetzten MusicalTheaters in Moskau gerät Russlands Regierung angesichts ungeklärter Fragen unter Druck. Am Sonntag wurde erstmals bekannt, dass entgegen vorigen Angaben der Regierung 116 Geiseln durch den Einsatz von Gas gestorben waren. Eine weitere Geisel starb an Schussverletzungen, wie die Gesundheitsbehörden mitteilten. Der amerikanische Botschafter in Moskau forderte Aufklärung über die bei der Aktion eingesetzten Mittel. Die Behörden verweigerten jegliche Auskunft darüber, welches Gas in den Saal geleitet worden war.

Das Schweigen der Moskauer Behörden nährte Spekulationen, dass ein Nervengas oder ein bislang unbekannter Kampfstoff eingesetzt worden sein könnte. Der Chemiewaffenexperte Jan van Aken geht davon aus, dass ein verbotenes Gas zum Einsatz kam und dieses außerdem zu hoch konzentriert war. Der leitende Arzt der russischen Hauptstadt, Andrej Selzowski, sprach dagegen von einem Narkosegas, das bei einer Überdosis zur „Störung von Körperfunktionen“ führen könne. Von den über 700 befreiten Geiseln waren 650 am Sonntagabend noch in Krankenhäusern. 150 von ihnen mussten in Intensivstationen behandelt werden, der Zustand von 50 Opfern galt als sehr kritisch.

Vor Moskauer Krankenhäusern warteten am Sonntag verzweifelte Angehörige. Am Nachmittag wurden einige Patienten nach Hause entlassen. Einzelne Kliniken gestatteten Angehörigen erstmals Zugang zu den Patienten. Offiziellen Angaben zufolge wurden bis Sonntagabend erst 50 der getöteten Geiuseln identifiziert. „Wir wissen nicht, was mit unseren Angehörigen ist“, klagte eine Frau im Fernsehen.

Unter den Todesofern sind auch vier Ausländer. In der Nacht zum Sonntag starben eine Niederländerin, eine 13-Jährige aus Kasachstan sowie eine Weißrussin an ihren Verletzungen. Auch ein Österreicher kam nach Angaben diplomatischer Kreise ums Leben. Die beiden befreiten Deutschen wurden zur Behandlung in eine Münchner Spezialklinik geflogen. Sie werden in der Toxikologischen Abteilung des Münchner Universitätsklinikums „Rechts der Isar“ behandelt. Wie der Leiter, der Giftgas-Experte Thomas Zilker, sagte, sind die Patienten, ein 50-jähriger Geschäftsmann aus Baden-Württemberg und eine 18 Jahre alte Schülerin, bei Bewusstsein. Das Gas lasse sich nicht mehr identifizieren.

Viele der 50 getöteten Terroristen sind offenbar im Schlaf erschossen worden. „Unsere Spezialisten drangen durch Schlupflöcher in den Saal ein und töteten die Terroristen mit Schüssen ins Genick“, sagte ein Soldat, der daran beteiligt gewesen sein soll, der Zeitung „Moskowskij Komsomolez“.

Der russische Präsident Wladimir Putin drohte der dänischen Regierung indes mit der Absage seines für Mitte November geplanten Staatsbesuches, falls an diesem Montag in Kopenhagen ein geplanter Tschetschenen-Kongress stattfinden sollte.

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