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Gasstreit: Nabuccos neue Chance

Der Streit ums Gas belebt ein altes Projekt: Die Pipeline zu den Gasfeldern unter dem Kaspischen Meer.

Der eigentliche Sieger im Konflikt Europas mit Russland und der Ukraine könnte ein bisher Unbeteiligter sein: Aserbaidschan. Die Nachfrage nach Gas aus der ehemaligen Sowjetrepublik im Südostkaukasus sei in den letzten Tagen „rasant gestiegen“, sagte Staatschef Ilham Alijew der Moskauer Tageszeitung „Nesawissimaja Gaseta“ und strahlt auf dem Foto daneben über das ganze Gesicht. Aus gutem Grund. Die Suche nach alternativen Lieferanten und Transitwegen unter Umgehung Russlands, so Tschechiens Vizepremier Alexandr Vondra, habe während der EU-Präsidentschaft seines Landes absolute Priorität.

Ein fast schon abgeschriebenes Projekt bekommt dadurch eine zweite Chance: Nabucco, eine 3300 Kilometer lange Pipeline, die vom aserbaidschanischen Baku über die Türkei nach Österreich führen und Europa den Zugriff auf die Gasvorkommen im Kaspischen Meer sichern soll. Der Bau soll 2010 beginnen, ist jedoch extrem umstritten. Die Pipeline führt durch den politisch instabilen Südkaukasus und kostet schon nach gegenwärtigem Stand fast acht Milliarden Euro. Investitionen dieser Größenordnung aber rechnen sich nur bei voller Auslastung – und die war bisher fraglich.

Nabucco will vor allem auf die Vorkommen von Schah Deniz zurückgreifen. In dem 1999 in 600 Metern Tiefe entdeckten Feld lagern bis zu drei Milliarden Barrel Öl und 100 Milliarden Kubikmeter Gas. Die Förderung begann vor drei Jahren und soll bis 2015 auf sieben Milliarden Kubikmeter jährlich gesteigert werden. Für den Transport ebendieser Menge wurde auch die 2006 in Betrieb genommene, 690 Kilometer lange Südkaukasuspipeline projektiert. Deren Endpunkt ist momentan das osttürkische Erzerum. Ob dort im nächsten Jahr der Bau von Nabucco wirklich beginnt, hängt vor allem von Europas Durchsetzungsvermögen beim Wettlauf um die Vorkommen ab.

Um Nabucco zu verhindern, hatte Moskau Aserbaidschan und der zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepublik Turkmenistan, die ebenfalls über ergiebige Gasfelder im Kaspischen Meer verfügt, schon im letzten Juli den Aufkauf der gesamten Jahresförderung zu Weltmarktpreisen angeboten. Beide sagten bisher weder Moskau noch Brüssel eindeutig zu und pokerten. Bis der russisch-ukrainische Gaskrieg begann und Aserbaidschan an neue Gewinne zu denken begann. Schah Deniz, so Präsident Alijew, könne schon 2013 die volle Förderleistung erbringen. Auslastungsprobleme für die Nabucco-Pipeline, die dann ans Netz gehen soll, seien daher vom Tisch. Das gilt auch dann, wenn Turkmenistan abspringt. Dafür steht der Iran bereit. Damit Baku seine Planziele halten kann, will die Islamische Republik zudem anderthalb Milliarden Dollar in die Erschließung des Schah-Deniz-Feldes investieren.

Nicht nur Experten waren perplex: Das Verhältnis beider Länder war bisher eher gespannt. Auch Moskau fühlte sich kalt erwischt. Hier rechnet man den Gasstreit mit der Ukraine und Europa als klaren Sieg ab, den Russland durch das definitive Aus für Nabucco ausbauen muss. Allianzen wie die zwischen Teheran und Baku stören dabei.

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