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Klaus Wowereit und Gregor Gysi im Dezember 2001

© dpa

Gastkommentar des Linke-Fraktionschefs: Gysi: Für den Wowereit-Nachfolger wird es ungeheuer schwer

Klaus Wowereit ist nicht alles gelungen, meint Linke-Fraktionschef Gregor Gysi. Das Stichwort Flughafen sei dabei nur eins. Dennoch würden seine großen Verdienste zweifellos überwiegen. Ein Gastkommentar.

Der Rücktritt von Klaus Wowereit beendet einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung Berlins. Er hat einen großen Anteil daran, dass die eher provinziellen Strukturen der deutschen Hauptstadt überwunden wurden. Aus Berlin ist eine Metropole geworden. Medial und kulturell hat er Berlin deutlich vorangebracht. Berlin ist international zu einem bedeutenden Anziehungspunkt geworden. Ihm ist auch zu verdanken, dass die Zahl der Besucherinnen und Besucher Berlins aus dem Aus- und Inland immer mehr zunimmt. Insbesondere die Jugend in Deutschland fühlt sich von Berlin angesprochen. Nicht wenige suchen hier einen neuen Lebensraum für sich.

Ein großes Verdienst von Klaus Wowereit bestand darin, dass er sich als erster Politiker öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte, was den Kampf um die Gleichstellung von Lesben und Schwulen deutlich unterstützte. Als ich ein Kind war wurden erwachsene homosexuelle Männer noch eingesperrt, nun stehen wir kurz vor der Genehmigung der Eheschließung.

Außerdem besaß er den Mut, eine Koalition mit der PDS in der deutschen Hauptstadt zu einem Zeitpunkt einzugehen, als die politische Bundesebene dies überhaupt noch nicht akzeptierte. Übrigens, dies hat sich keineswegs nachteilig für Berlin ausgewirkt.

Im persönlichen Umgang habe ich ihn schätzen gelernt, weil er fair, zuverlässig und humorvoll ist. Denunziationen konnte es deshalb durch die Art unserer Beziehung nicht geben. Außerdem ging und gehe ich gern mit ihm essen, schon weil uns beiden das Essen Spaß macht.

All dies bedeutet natürlich nicht, dass ihm alles gelungen wäre. Das Stichwort Flughafen ist nur eines. Die soziale Situation in Berlin ist schwierig und dringend verbesserungsbedürftig, wenn ich zum Beispiel an die Entwicklung der Mieten denke. Eine Hauptstadt zu führen ist selbstverständlich sehr schwierig, aber gerade auch Arme müssen sich Zuhause, noch besser sogar wohl fühlen.

Seine großen Verdienste überwiegen aber zweifellos. Schon deshalb wird es seine Nachfolgerin bzw. sein Nachfolger wird es ungeheuer schwer haben.

Gregor Gysi (66) ist Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Von Januar bis August 2002 war er Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin.

Gregor Gysi

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