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Mit den Einnahmen aus einem CO2-Preis könnte man den klimagerechten Umbau der Energieinfrastruktur finanzieren - etwa Solaranlagen wie die zurzeit größte Lateinamerikas im brasilianischen Pirapora.

© AFP/Carl de Souza

Gastkommentar: "Grüne Investitionen mit einem CO2-Preis rentabel machen"

Ein deutsch-französisches Tandem sollte eine CO2-Steuer vorantreiben. Um Frankreichs Atomkraftwerke nicht zu bevorteilen, könnten einige abgeschaltet werden.

Bezüglich des Klimawandels sind die Nachrichten schlecht. Die Prognosen der Klima-Experten für ein Business-as-usual-Szenario führen zu einer durchschnittlichen Erwärmung von vier Grad Celsius bis zu sechs Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Bei einer Erderwärmung von sechs Grad wären ungefähr zwei Drittel der Menschheit während des ganzen Jahres einer Temperatur ausgesetzt, die mit dem menschlichen Leben nicht vereinbar ist. Das Business-as-usual-Szenario ist damit keine ernsthaft in Erwägung zu ziehende Alternative.

Auf der anderen Seite stehen die „Nationally Determined Contributions” (NDCs), die jedes Land im Rahmen der COP21 erarbeitet hat, als „Fahrplan” für die nationale Entkarbonisierung. Diese NDCs führen im Durchschnitt zu einer Erwärmung von 3,5 Grad und genügen also nicht, um eine Temperatursteigerung von unter zwei Grad zu schaffen.

Sich dieser Herausforderung zu stellen, wird uns in den kommenden 15 Jahren mehrere Tausend Milliarden Dollar kosten. 50.000 Milliarden Dollar seien allein dafür nötig, „grüne” Infrastrukturen weltweit zu finanzieren, die mit dem „2-Grad-Szenario” vereinbar sind, glaubt man einigen Experten; diese Summe beläuft sich laut dem New Climate Economy Report sogar auf 90.000 Milliarden Dollar.

"Noch nie hat es so viel Kapital auf der Erde gegeben"

Das Paradox besteht darin, dass es der Finanzwelt nicht an Möglichkeiten mangelt, diese Summen zu stemmen. Dank der unorthodoxen Geldpolitik, die die Zentralbanken in den westlichen Ländern seit zehn Jahren verfolgen, hat es nie so viel Kapital auf der Erde gegeben wie heute. Demzufolge ist die entscheidende Frage, die man beantworten sollte, um die Energiewende zu finanzieren, die folgende: Wie kann man „grüne“ Investitionen rentabel machen, damit Kapital am „richtigen Ort“ investiert werden kann?

Über den richtigen Preis für Kohlendioxid diskutieren Joseph E. Stiglitz (rechts) und Nicholas Stern im Mai beim „Global Solutions Summit“ in Berlin.
Über den richtigen Preis für Kohlendioxid diskutieren Joseph E. Stiglitz (rechts) und Nicholas Stern im Mai beim „Global Solutions Summit“ in Berlin.

© Thilo Rückeis

In seiner Europa-Rede an der Pariser Universität Sorbonne hat Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron eine CO2-Steuer oder einen Mindestpreis im europäischen Emissionshandel auf die Tagesordnung der europäischen Politik gehoben. Solch ein Vorschlag ist völlig kohärent mit den Schlussfolgerungen des Stern-Stiglitz-Berichts. Die Stern-Stiglitz-Kommission, an der auch der deutsche Klimaökonom Ottmar Edenhofer teilgenommen hat, wurde von der französischen Ministerin Ségolène Royal und der Weltbank im Jahre 2016 eingesetzt.

Ihr Hauptergebnis ist zunächst die Feststellung, dass man auf das Luftschloss verzichten sollte, einen einheitlichen, globalen CO2-Preis zu fordern oder durchzusetzen. Es gibt keinen Grund dafür anzunehmen, dass jener Preis, der grüne Investitionen in Bayern rentabel macht, der gleiche ist wie in Darjeeling oder Peru.

Gaël Giraud ist Chef-Ökonom der Agence Française de Développement
Gaël Giraud ist Chef-Ökonom der Agence Française de Développement

© AFD

Die Notwendigkeit eines „Mindestpreises“, oder, besser gesagt, eines Korridors von Preisen ist die zweite wichtige Erkenntnis der Kommission. Präsident Macron hat einen Mindestpreis von 25 bis 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid ins Gespräch gebracht. Die Stern-Stiglitz Kommission geht sogar weiter und schlägt vor, dass die internationale Gemeinschaft sich auf einen Preiskorridor von 40 bis 80 Dollar im Jahre 2020 einigt, der bis 2030 auf 50 bis 100 Dollar ansteigen sollte. Die Schweiz (77 Dollar) und Schweden (90 Dollar) befinden sich schon weit im oberen Bereich dieses Korridors. Das ist ein Vielfaches der aktuell im Rest Europas zu beobachtenden Preise, die uns mit Sicherheit auf den Weg des Business-as-usual-Szenarios führen würden.

Solch ein Preiskorridor würde natürlich Gewinner und Verlierer hervorbringen, sei es in Deutschland oder in Frankreich. Darum wäre es vorzuziehen, eine europäische CO2-Steuer zu konzipieren, deren Einnahmen dazu dienen könnten, den Verlierern zu helfen. Selbstverständlich sollten auch unsere Länder unverzüglich jeden Zuschuss aus öffentlichen Mitteln für die Steinkohle und Erdöl beenden: Solche Subventionen führen zu einem real negativen CO2-Preis!

"Einige französische Kernkraftwerke sind tickende Zeitbomben"

Auf jeden Fall ist zu Recht die Frage eines Mindestpreises Gegenstand der Jamaika-Koalitionsverhandlungen in Berlin geworden. Die Ideologie des „freien Markts“ ist nichts anders als eine blinde Verteidigung der Unternehmen, die sich an die Welt von morgen nicht anpassen wollen. Auf der anderen Seite vermuten einige deutsche Industrie-Vertreter, dass Frankreich eine zügige Einführung der CO2-Steuer vorantreibt, um letztlich seine Atomindustrie zu unterstützen.

Dieser Verdacht hat in dem Maße an Plausibilität gewonnen, in dem klar geworden ist, dass die Atomkraft viel mehr kosten wird, als man sich noch vor einigen Jahren hätte vorstellen können. Einige französische Kernkraftwerke sind regelrechte tickende Zeitbomben. Dieser Verdacht sollte jedoch das deutsch-französische Tandem nicht daran hindern, die gemeinsam führende, zentrale Kraft der Energiewende in Europa zu werden. Ein Vorschlag für einen Kompromiss: Ist es unvorstellbar, dass Frankreich sich verpflichtet, einige Kernkraftwerke zu schließen als Gegenleistung für eine europäische CO2-Steuer?

Gaël Giraud ist Chef-Ökonom der Agence Française de Développement, Mitglied der Stern-Stiglitz-Kommission und Senior Researcher des Centre National de la Recherche Scientifique.

Gaël Giraud

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