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Gastkommentar von Michael Jürgs: DDR-Blockflöten: Mitläufer und Mitmacher

Schäbiger Ost-West-Konflikt oder notwendige politische Hygiene? Michael Jürgs über die Kritik an DDR-Blockflöten.

Blockflöten sind Blockflöten sind Blockflöten. Selbst dann, wenn sie in der verbindlichen Partitur des SED-Staatsorchesters nur in Achtelnoten zum Einsatz kamen, gehörten Mitglieder von Blockparteien wie der CDU oder der LDPD oder der DBD zum nationalen Einheitsensemble. Von der Art eines Stanislaw Tillich, Nachfolger des Westimports Georg Milbradt als sächsischer Ministerpräsident und bis 1989 eine kleine Blockflöte in der Ost-CDU, gab es viele in der zweiten deutschen Diktatur.

Kein Grund zur Häme. Es gab Millionen Mitmacher auch im anderen – mit dem kommunistischen nicht vergleichbaren – System. Ohne die vielen kleinen Nazi-Mitläufer wäre beim Aufbau West nichts gelaufen. Hochmut kommt angesichts des von seiner Biografie überraschten Sachsenkönigs also zu Fall. Nach Tillichs Bekenntnissen jedoch ist die Strategie seiner Partei obsolet, die Gegner von der Linken, in der SED-Altkader eine Nische gefunden haben, aufgrund ihrer Vergangenheit zu attackieren. Was CDU-Ochsen erlaubt ist, muss auch denen der anderen gestattet sein.

Und wo bleibt die Moral? Wie Hochverrat ist sie eine Frage des Datums. Man könnte sich als Westdeutscher, durch Zufall frei aufgewachsen, so wie es Kanzler Kohl im Rückblick auf die braunen Verbrecher tat, auf die Gnade einer späteren Geburt berufen. Dass Tillich auf der Kaderschmiede des MfS in Potsdam einer „Rotlichtbestrahlung“ (Volksmund Ost) unterzogen wurde, was er stets zu erwähnen vergaß, hat Teilchen seiner politischen Biografie verbrannt. Er ist aber nicht allein. Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, heute ebenfalls CDU, war einst Mitglied im Blockflötenorchester. Im „Bauernecho“ seiner Partei DBD lobte er noch im Sommer 1989 die Mauer als Schutzwall, weil hinter der die „braune Pest“ wuchere.

Jammernd auf dem Klavier Ost zu spielen und zu beklagen, wie wir Deutschen mit unserer Vergangenheit umgehen, ist frech. Es geht bei Stanislaw dem Sachsen schlicht darum, wie ein Deutscher mit seiner Vergangenheit umgeht. Kritik an Blockflöten ist eben kein „schäbiger Ost-West-Konflikt“, sondern notwendige politische Hygiene, damit keine Dolchstoßlegenden wachsen. Über Mitläufer Tillich zu urteilen sollte man allerdings denen überlassen, die in der DDR nicht wie er mitgelaufen – und verurteilt worden sind.

Michael Jürgs und Angela Elis mokieren sich im Wechsel über Ost und West.

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