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Barack Obama

© dpa

Gates-Vorfall: Töricht oder rassistisch?

US-Präsident Obama bedauert Wortwahl bei Kritik an weißem Polizisten.

Es war ein außergewöhnlicher Moment im kleinen Presseraum des Weißen Hauses am Freitagnachmittag. Das White House Press Corps war bereits in Freizeitstimmung und erwartete ein Routine- Briefing durch Sprecher Robert Gibbs: ein rascher Blick durch die Termine der kommenden Woche und ein paar Rückfragen zu brennenden Themen wie dem Rückschlag bei der Gesundheitsreform.

Doch dann trat überraschend Barack Obama ans Mikrofon. Er scherzte kurz, es gebe Situationen, in denen er seinem Sprecher beispringen müsse. Dann wurde seine Miene ernst, er kratzte sich verlegen am Ohr, wie man das von ertappten Sündern kennt. Es klang in der Tat wie eine Entschuldigung, obwohl er das Wort vermied. „Unglücklicherweise hat meine Wortwahl den Eindruck erweckt, als wolle ich die Polizei von Cambridge und speziell Sergeant Crowley schlecht machen. Ich hätte meine Worte anders wählen müssen. Das habe ich Sergeant Crowley auch gesagt.“

Die ungefähr vierzig Journalisten im Raum wechselten erstaunte Blicke. Die Spannung eines nahezu historischen Moments lag über dem Raum. Hatten Sie gerade erlebt, dass der mächtigste Politiker der Welt einen Fehler zugibt? Dass der erste schwarze Präsident der USA vor dem Proteststurm weißer Polizisten zurückweicht? In seiner landesweit übertragenen Pressekonferenz am Mittwoch hatte er das Vorgehen weißer Polizei gegen einen schwarzen Professor in Cambridge noch „töricht“ genannt und als Beleg interpretiert, dass die USA die Geschichte rassistischer Übergriffe noch immer nicht ganz überwunden haben.

Im Verlauf einer guten Woche hatte sich ein Vorfall, wie er wohl häufig in Amerika vorkommt, zum nationalen Gesprächsthema ausgeweitet – weil der Präsident sich einmischte. Am 16. Juli war der schwarze Harvard-Professor Henry Gates von einem ebenfalls schwarzen Taxifahrer samt Gepäck nach Hause gebracht worden. Die Tür klemmte. Einer der Männer warf sich dagegen, um sie zu öffnen, und betrat das Haus schließlich von der Hinterseite. Eine Nachbarin rief die Polizei. Sie hielt es für einen Einbruchsversuch: Zwei Schwarze versuchen gewaltsam in ein Haus einzudringen. In Gates Gepäck sah sie Behältnisse zum Abtransport der Beute. Als der weiße Polizist James Crowley erschien, klärte sich das Missverständnis durch Vorzeigen eines Ausweises mit Foto und Adresse auf. Doch nun entwickelte sich ein Wortgefecht, in dessen Verlauf Gates nach Crowleys Darstellung so laut und ausfällig wurde, dass er ihn schließlich festnahm und zum Polizeirevier brachte.

Obama hat in Harvard in Jura promoviert und ist mit Gates befreundet. Er stellte sich öffentlich auf Gates Seite, nannte das Vorgehen „dumm“, offenbar ohne den Ablauf genau zu kennen. Daraufhin organisierten weiße Polizisten eine Solidaritätsaktion mit Crowley. Seine Vorgesetzten verlangten, Obama müsse sich entschuldigen. Das Land streitet, ob dies ein neuer Beleg für rassistische Polizeiarbeit sei oder ob der Fall für das umgekehrte Muster stehe: Der Vorwurf sei ein bequemes Ablenkungsmanöver, wenn Schwarze sich ungebührlich verhalten, es aber nicht zugeben wollen. Crowley gilt als untadeliger Polizist. Er unterrichtet zudem Polizeinachwuchs, wie man Rassismus im Dienst vermeidet.

Obama lobt nun, Crowley sei „ein herausragender Polizist“. Er glaube jetzt, der Konflikt sei durch Überreaktionen beider Seiten eskaliert. Die Kontroverse solle der Nation als „Lehrstunde“ dienen. Gates und Crowley lädt er auf ein Bier ins Weiße Haus ein, zur Versöhnung. Und dann habe er noch eine Bitte: Die Medien sollten die Belagerung von Crowleys Haus beenden.

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